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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kurzgeschnittenes Haar, sah den Jungen im Rollstuhl an und fuhr dann plötzlich herum: »Die Gärtnerei.«
    »Was für eine Gärtnerei?«
    »Unsere natürlich. Sehen Sie, dort drüben …«
    Berling sah nur den Himmel, als er mit dem Blick der ausgestreckten Hand folgte, den Himmel und ein Stück Umfassungsmauer des Hofes.
    »Weiter unten liegt die Gärtnerei. Und da gibt's so 'nen Schuppen. Kaufmann …«
    »Kaufmann?«
    »Der Gärtner, Herr Kommissar. Der Kaufmann hat im Schuppen Steckzwiebel, Düngematerial und weiß der Teufel was noch alles aufbewahrt. Mich läßt er manchmal rein. Ich kann dort meine Honda reparieren und auch die Mopeds oder Motorräder von den anderen, falls mal eines ausfällt.«
    »Ja?«
    »Mit dem Schuppen war was … Am Sonntag, da wollte Maria, sie arbeitet drüben in der Verwaltung …«
    »Sie ist meine Sekretärin und die Freundin von Hans«, ergänzte die Ärztin trocken.
    »Na jedenfalls, die Maria, die hat so ein Spezialabkommen mit dem Gärtner, sie darf ihre Vespa ständig in den Schuppen stellen, hat sogar 'nen Schlüssel zum Vorhängeschloß, das dort hängt. Sie ist völlig verrückt mit dem Bock, hat ihn gerade neu gekauft, und ich hab' das Ding noch frisiert. Und nun mußte sie also am Sonntag nach Wächtersbach rüber, geht runter – und was ist? Sie findet kein Schloß am Schuppen. Das kam ihr schon komisch vor.«
    Berling spuckte den ewigen Zahnstocher aus. Er hatte ihn durchgebissen.
    »Und als sie reingeht, steht die Vespa zwar da, die hat ja auch 'n Schloß – aber da liegen so komische Säcke auf dem Boden.«
    »Was für komische Säcke?«
    »Der Kaufmann lagert dort unten auch Säcke. Er hebt jeden auf. Na, und mindestens fünf davon lagen in einer Ecke aufgeschichtet, als habe sich jemand ein Bett gemacht. Und daneben Bananenschalen.«
    Die Ärztin sah Berling an, auch der Dicke runzelte bedeutsam die Stirn.
    »Noch was – 'ne ausgelutschte Konservenbüchse lag da. Sardinen … Sah alles ganz so aus, als hätte es sich jemand die Nacht dort drin gemütlich gemacht. – Mannomann, und wenn Sie jetzt sagen, das könnte der Killer gewesen sein …«
    Berling schwieg. Der Pfleger hatte schon wieder die Hand in den Haaren, er rieb verzweifelt an seinem Hinterkopf herum. Er wirkte verstört.
    »Also«, sagte Berling schließlich. »Machen Sie sich mal keine Sorgen. So ein Typ ist feige. So einer schlägt nicht sofort zu.«
    »Aber trotzdem – Mensch, wenn ich das der Maria erzähle … Und wir haben noch gedacht, der Kaufmann hätte mit Wetzlaff Krach gehabt, und der alte Wetzlaff hätte sich deshalb in den Schuppen zum Schlafen verzogen. Das haben wir uns ausgemalt und noch darüber gelacht.«
    »Wetzlaff?«
    »Das ist der Gehilfe des Gärtners«, erklärte Frau Dr. Ellen Schönert.
    Berling ging zu der Umfassungsmauer.
    Die flache Bergrundung, auf der das Sanatorium lag, war auf dieser Seite von Feldern und Obstwiesen umgeben. Jenseits der Senke schob sich der Wald hoch. Drei Reihen von Gewächshäusern nahmen den Südwesten des Hangs ein. Rechts, weiter unten, sah man den Backsteinbau des Gärtnerhauses. Nicht weit davon, fünfzig Meter vielleicht, erhob sich ein Stahlgerüst, das einen braunlackierten, großen, kugelförmigen Wasserbehälter trug.
    Die untere Reihe der Gewächshäuser stieß an eine große Mauer, die wohl den Berg abstützte. An dieser Mauer führte in halber Höhe ein Querträger zu der Wasserreservoirkonstruktion; auf ihm verlief wohl auch die Leitung, aus der die Gewächshäuser versorgt wurden.
    Berling betrachtete sich alles ziemlich lustlos. Er sah auf seine Uhr: Schon ein Uhr?
    Säcke? dachte er. Bananenschalen? »Wann wurden hier zum letztenmal Bananen ausgegeben?«
    »Sonntag.«
    Das elektrisierte ihn.
    »Kann ich vielleicht gleich jetzt mal mit Herrn Kaufmann sprechen? Gibt es so etwas wie eine Personalkantine? Da könnte ich dann auch mit den anderen Angestellten reden. Aber jetzt geh' ich erst mal zur Gärtnerei.«
    »Tun Sie das.« Die Ärztin zeigte wieder ihr undeutbares Lächeln.
    * * *
    Der Anstaltsgärtner stand im Hof seines Hauses und war dabei, mit einer Drahtbürste den verrosteten Stahlrahmen eines Fensters zu säubern. Er mußte sie kommen sehen, alle drei, Berling voraus, aber er dachte nicht daran, seine Arbeit zu unterbrechen, und zeigte das deutlich. Erst als Berling sagte: »Guten Morgen, Herr Kaufmann«, nahm er den Kopf hoch. Er hatte blaue, sehr blaue Augen unter dem Strohhut und ziemlich viele Stoppeln am Kinn;

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