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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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während Berling sich nach seinem Gehilfen erkundigte, betrachtete er die Rostspuren an seiner Bürste.
    »Wetzlaff? Wie kommt der Hans auf Wetzlaff? Wetzlaff würde doch nie im Schuppen schlafen … Außerdem ist er weg.«
    »Herr Wetzlaff ist nicht hier?«
    »Ne. Schon die halbe Woche nicht. Der ist am Donnerstag zu seiner Mutter nach Hanau gefahren. Die ist krank. Das ist doch Quatsch.«
    »Aber Sie hatten den Schuppen immer abgeschlossen?«
    »Natürlich habe ich das.«
    »Auch jetzt?«
    »Klar.«
    »Können wir mal nachsehen?«
    »Aber sicher. Wieso nicht? Ist ja gleich dort drüben.«
    Sie setzten sich in Bewegung. Der Schuppen war ziemlich groß, ein etwa zwölf Meter langes Rechteck, gleichfalls aus Backsteinen hochgemauert. Er hatte keine Fenster, besaß aber dicht unter der Dachkante schmale, rechteckige Öffnungen, durch die der Wind hereinstreichen konnte.
    Berling sah über die Schulter zurück. Der Gärtner war bereits wieder am Rostbürsten.
    An der vom Haus abgewandten Seite war die Tür des Schuppens angebracht. Von wegen abgeschlossen! – Kaufmann hatte die Tür in den letzten vierundzwanzig Stunden wohl nicht mehr benutzt, jedenfalls war an den beiden Schloßhalterungen kein Vorhängeschloß zu entdecken.
    Es war eine Schiebetür.
    Und sie stand einen etwa zwanzig Zentimeter breiten Spalt offen.
    Erich Konnarz war vorausgegangen. Nun blieb er stehen und drehte sich ihm zu.
    Berling sah, wie sich seine Hand unter die Lederjacke zur Pistole schob. Er fand es irgendwie übertrieben, tat es ihm aber trotzdem nach. Tim Rister war oben beim Sanatorium in seinem Wagen geblieben.
    Sie gingen langsamer, vorsichtiger und leiser. Um den Schuppen zog sich rissiger, bröckelnder Betonboden. Eine schwache, undeutliche Sonne kam durch und zeichnete einen grauen, runden Schatten darauf – der Schatten des Wasserdepots.
    Links zog sich die Stützmauer zum Hang, gleichfalls Beton. Hinter den Eisenstreben, die den Wasserbehälter trugen, verlief quer eine mit Brennesseln bewachsene Backsteinmauer. Dahinter sah man Obstbäume.
    Der Dicke wartete, bis Berling herangekommen war.
    Sie befanden sich jetzt etwa zehn Meter von der Tür entfernt.
    Konnarz flüsterte etwas, das er nicht hören konnte – wie sollte er auch, ein Taubenschwarm war drüben vom Gärtnerhaus gestartet und zog mit knatternden Flügeln dicht über ihre Köpfe hinweg eine Kurve in den Himmel.
    Der Dicke sah hoch – und in dieser Sekunde geschah es.
    Es ging einfach zu schnell. Konnarz' massige Gestalt hatte Berling die Sicht zur Tür verdeckt, nichts sah er, nichts Genaues zumindest, nichts als eine verwischte, schattenhafte Bewegung.
    »Erich!« brüllte er.
    Der hatte begriffen. Zu spät. Die Figur im braunen Overall dort hatte bereits zwei Drittel des Weges zu dem Gerüst des Wasserbehälters zurückgelegt.
    »Halt!« brüllte Berling. »Halt! Polizei!«
    Erich Konnarz begann zu rennen, seine Pistole hob sich.
    »Bleiben Sie stehen, oder ich schieße!«
    Er blieb nicht stehen. Aber er warf einen Blick über die Schulter, und Berling erkannte das verschmierte Gesicht sofort: Ladowsky! – Verdammt noch mal, das war tatsächlich Ladowsky …!
    Er war jetzt an der Leiter, die hinauf zu dem kreisförmigen eisernen Umlauf führte, von dem das Reservoir dort oben bedient werden konnte. Er kletterte, kletterte blitzschnell, hatte nicht viel zu klettern, sieben, acht Sprossen, und schon bildete er neben der Stahlkugel eine klare, schwarze Silhouette.
    Erich hob den Arm und zielte.
    »Stehenbleiben! Nicht rühren, Ladowsky, sonst …«
    Es gab kein ›sonst‹. Auch jetzt ließ sich der Wahnsinnige von ihren Rufen nicht aufhalten, er rannte den Umlauf entlang, kletterte über das Geländer, hatte die Füße schon auf dem schweren Eisenträger, der die ganze Konstruktion mit der Stützmauer verband, hielt beide Arme ausgebreitet, um sein Gleichgewicht zu halten, so daß es einen Augenblick aussah, als wolle er einfach abfliegen, zuckte noch nicht einmal zusammen, als der erste Schuß peitschte und Konnarz erneut zielte, ging einfach weiter, einfach so, als wäre das seine tausendmal eingeübte Zirkusnummer, tänzelte seelenruhig auf einem fünfzehn Zentimeter breiten Eisenband unter Polizeibeschuß über einen Vier-Meter-Abgrund …
    Nun visierte auch Berling, hatte ihn über Kimme und Korn. Ladowsky also …? Von wegen Nachahmungstäter. Der Junge dort oben, der Junge in dem dreckverfleckten Overall, der Junge mit dem harmlosen Kindergesicht – da hast

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