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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einen vernünftigen Gedanken in den Schädel zu zwingen.
    Als er auf dem Eisenträger herumgezittert war, hatte er auch blöderweise die Heckler und Koch verloren. In seiner Panik war ihm die Pistole entglitten und zwischen den Brennesseln gelandet. Und jetzt, Kreuzteufel noch mal …? Falls Ladowsky bewaffnet war, konnte der ihn hier oben abknallen wie einen angeketteten Kakadu auf der Stange.
    Unter ihm die Glasdächer.
    Und gleich im nächsten dieses gesplitterte, scharfgezackte Loch.
    Berling rührte sich nicht. Ein einziger kurzer Blick, und die Situation war klar: Da war die Mauer, die den Hang mit den stufenförmig angeordneten Gewächshäusern vom Gärtnerhof trennte. Rechts von ihm, noch keine fünf Meter, gab es eine eiserne Sprossenleiter, die zu einer Batterie von Hähnen führte, die wohl die Wasserversorgung regelten. Direkt unter ihm aber …
    Nichts zu erkennen als Schatten.
    Das Glas war von Kondenswasser beschlagen.
    Weiß der Teufel, was dort unten wuchs. Was immer es war, dazwischen steckte der Mörder. Oder er hatte sich vielleicht abgesetzt, nahm irgendwo Deckung, die Kanone in der Hand, lachte sich einen Ast, zielte auf seinen Bauch …
    »Tom?« rief es irgendwo hinter ihm.
    Erich. Der Dicke machte sich Sorgen. Er auch.
    Berling gab keine Antwort. Er hatte eine Entdeckung gemacht, und die war ungeheuer erleichternd. Er beugte sich noch weiter vor, stützte sich ab, hob die Hand an die Stirn, um den Blick besser abzuschirmen, schaute wieder hin … dort unten zwischen den schwarzen Schatten, gleich neben den gefächerten Blättern, diese helle Form, rund gebogen wie ein großer Löffel – ein Laufschuh war das, einer dieser Sneakers, und dazu gehörte ein Knöchel und ein Stück Bein …
    Der Killer.
    Da unten lag er, lag zwischen den Pflanzen. Und so wie er lag, wie der Schuh abgewinkelt war, lag er auf dem Rücken. Er hatte sich verletzt. Na hoffentlich. Das war so ziemlich das Beste, was passieren konnte.
    »Erich!« brüllte er. »Um die Mauer rum und hierher!«
    Er lief zur Leiter, kletterte hinunter, suchte nach irgend etwas Praktisch-Handlichem, das einem Unbewaffneten gegen einen verrückten Mörder von Nutzen sein konnte, fand natürlich nichts – scheiß drauf, da war eine schmale Gewächshaustür, er riß sie auf: Glaswände. Glasdächer. Und über allem schwerer, feuchter Pflanzengeruch, und Blumen hier, weiter vorne Bohnen und mit Drähten verbundene Stangen, an denen sich Paprikapflänzchen hochrankten.
    In der Mitte ein mit Brettern belegter Gang.
    Er rührte sich nicht.
    Das bißchen Licht, gebrochen von Feuchtigkeitsschleiern, ließ ihn an ein Aquarium denken. Berling spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach, doch das war nicht wegen der feuchtigkeitsgesättigten, schweren Luft, Nervosität war das, oder noch etwas anderes …
    Angst.
    Er riß einen der Metallstäbe heraus, die aus der Erde ragten. Nicht besonders schwer, das Ding, aber doch irgendwie beruhigend. Vorsichtig tastete er sich weiter, langsam, ganz langsam.
    Nichts rührte sich.
    Irgendwo summte ein Generator, doch das war weit, sehr weit weg.
    Ladowsky – das rief er nicht, er dachte es: Ladowsky, du verdammtes Dreckschwein! Zeig dich …
    Eines dieser elenden Bohlenbretter knackte unter seinen Sohlen.
    Wieder blieb er stehen.
    Nichts.
    Vor ihm auf der rechten Seite versperrten zwei große Torfpacken die Sicht. Links wieder Pflanzen. Kein Paprika, dies waren Tomaten. Er schob den linken Arm vor und drückte das Blättergewirr zurück.
    Da lag er.
    Er ließ den Eisenstab fallen.
    Ladowsky lag auf dem Rücken, den Kopf zur Seite, um sich blitzende, messerscharfe Glassplitter. Beide Hände hielt er um den linken Oberschenkel gepreßt – und er lag in einem See von Blut.
    Sein Gesicht konnte er nicht erkennen, nur die schweißverklebten Haare. Bekleidet war er mit einem braunen Arbeitsanzug oder etwas, das mal ein brauner Arbeitsanzug gewesen war, der Stoff war von Glassplittern zerfetzt und starrte vor Dreck. Auch seine Joggingtreter waren mit Erde beschmiert.
    Berling machte zwei, drei vorsichtige Schritte, kniete sich nieder und sah all das Blut, das zwischen Ladowskys Fingern hervorquoll; das Blut war das einzig Lebendige an ihm, ein unbezähmbarer Strom von Blut, der über Hände, Arme und an der Seite herab auf die Bretter lief und dort einen dunklen See gebildet hatte.
    »Ladowsky!«
    Er stöhnte, versuchte den Kopf zu drehen, aber er schaffte es irgendwie nicht.
    Da hatte er ihn also, seinen Kreuz-Mörder,

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