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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sie, ich weiß, von was ich rede. Das können Sie mir glauben. Ich weiß es wirklich. Da gibt's die unwahrscheinlichsten Dinge … Vor zwei Tagen zum Beispiel hat sich so ein Fotoreporter nicht entblödet, ins Gerichtsmedizinische Institut einzudringen. Und wissen Sie, was der wollte? Er fummelte an den Kühlfächern herum, wollte die Leiche des Mädchens fotografieren.«
    »Wirklich?« Nun schien auch Kanitz beeindruckt. »Ist ja 'n Ding.«
    »Und ob das ein Ding ist. Wir können uns also auf einiges gefaßt machen. Und deshalb möchte ich Ihnen gerne unsere Ansicht übermitteln: Ladowsky muß abgeschirmt werden. Und zwar strikt abgeschirmt. Kein Kontakt zur Presse. Keine Fernsehinterviewer. Teilen Sie Ihrer Pressestelle nur mit, was absolut unumgänglich ist – Gesundheitszustand des Häftlings etc. aber keine Interviews, keine Stellungnahmen, nicht mehr als das absolut Erforderliche. – Bitte betrachten Sie dies als Hinweis. Der Vollzug untersteht schließlich nicht uns.«
    »Nein, das tut er nicht.«
    »Aber die Ermittlungen sind unsere Sache. Und hier sitzen wir schließlich im selben Boot, wenn Sie mir die Bemerkung erlauben. Und müssen uns alle gegen denselben Rummel schützen.«
    »Ich denke, das heißt nicht Rummel, sondern Druck der Öffentlichkeit, Herr Staatsanwalt.«
    »Nennen Sie es, wie Sie wollen«, sagte Gericke wütend und stand auf.
    * * *
    Alles war wie immer: die beiden Trauerweiden, Rotbuchenspalier, dann die helle Steinmauer der Schwimmbadumfassung. Darauf lag ein blauleuchtender Punkt.
    Richard Saynfeldt stieg die Treppen hoch, die an Pavillon und Schwimmbad vorbei zum Haus führten. Die blankgewienerten Fenster spiegelten einen rosa Abendhimmel, in dem noch einige graue Wolken schwammen. Es war kurz nach siebzehn Uhr. Den Porsche hatte er nicht in die Garage gefahren, sondern gleich vor der Haustüre stehen lassen. Man konnte ja nicht wissen …
    Ein paar Amseln flogen herum, und der blaue Punkt dort auf dem Travertin entpuppte sich als ein kleiner Plastiktraktor, das Lieblingsspielzeug seines vierjährigen Sohnes Nick.
    Richard Saynfeldt ging weiter, ruhig und langsam, er lauschte dem Klacken seiner Absätze und hatte doch das Gefühl, innerlich auf Zehenspitzen zu geben. Irgend etwas hatte sich geändert, irgend etwas strahlte das Haus aus, das ihm in höchstem Maß Mißbehagen einflößte: Die Fenster im Eßzimmer – zugezogen? Auch das ungewöhnlich. Na ja, Karla war weg, und die beiden Kinder hatte sie wohl mitgenommen. Hast du alles schon mal gehabt, déjà vu, also was soll's?
    Er hatte den Schlüssel in der Hand, drückte dennoch auf die Klingel und vernahm das Summen hinter der schweren Teakholztüre. Das Schweigen wurde zu etwas, das man hören konnte.
    Nur die Amseln kümmerten sich um nichts. Die schrien.
    Er schloß auf.
    Dienstag? Dienstag siebzehn Uhr? Zum Teufel, und Marias freier Tag war doch Mittwoch …? Er rief nicht nach dem Dienstmädchen, als er aufgeschlossen hatte, er räusperte sich nicht einmal wie sonst, er fühlte, sie war nicht da. Im Grunde war er nur müde, die Fahrt hatte ihn angestrengt – auch Isabella, ihr Verhalten vor allem, es war ja nicht gerade ergreifend lustig, wie sie da stundenlang stumm neben ihm im Wagen saß.
    Was soll's!
    Richard Saynfeldt stieg die geschwungene Treppe hoch, die zu den Schlafzimmern und zu seinem Arbeitszimmer führte. Die Luft hier erschien ihm stickig. Er riß die Balkontüre auf und ging zum Schreibtisch. Die Post lag ordentlich gestapelt im Eingangskorb. Er nahm den ersten Brief: das Angebot einer Ferienorganisation über eine Share Holding mit Domizil auf den Bahamas.
    Und darunter schon ein Brief vom Finanzamt. Genau, was er brauchte …
    Er ließ die Briefe liegen, wo sie waren, und spürte nun doch auf dem Weg zum Schlafzimmer ein leichtes Klopfen am Hals: Es ist Schluß, Richard!
    Hier waren die Jalousien fast ganz herabgelassen. Nur der zarte Lichtraster der ein wenig geöffneten Lamellen zeichnete sich an der Wand ab.
    Richard Saynfeldt schaltete die Beleuchtung ein: eine Reihe zitronengelber Glas- und Chromdreiecke im Art-déco-Stil, aufgesetzt auf eine blauseidene, von kanellierten Silberleisten eingefaßte Wandbespannung.
    Damals vor drei Jahren, als Karla mit dem gemeinschaftlichen Schlafzimmer auch ›das andere‹, diese unwägbare, unbenennbare körperliche Vertrautheit aufgegeben hatte – (»Wie soll ich das aushalten, Richard, wenn du nachts ständig liest und mit deinen Zeitungen oder Büchern

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