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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sich diesen elenden Wunsch nach einer Zigarette vom Hals zu halten, und vertiefte sich erneut in das Blatt. Weder Ökologiesteuer noch Rentenreform, bloß nicht. Vielleicht ›Neuer dramatischer Börseneinbruch in Hongkong‹ …
    Wie tief die Börse eingebrochen war, erfuhr Richard Saynfeldt nicht.
    Eine Frauenstimme sagte: »Verzeihung, Herr Oberstaatsanwalt …«
    Er blickte hoch.
    Sie war jung und ziemlich … nein, nicht ziemlich, sondern sehr hübsch. Das Gesicht bildete ein fast vollkommenes Oval, eingerahmt von dunkelblonden, seidenglatten, sorgsam gekämmten Haaren, die ihr beinahe bis zum Jeansbund fielen. Dazu trug sie ein hellblaues, mit drei Knöpfen versehenes T-Shirt, das eng genug war, um einen klassisch gerundeten, festen kleinen Busen nachzuzeichnen.
    »Woher kennen Sie mich?«
    Sie lächelte. »Mein Gott, ist das nun Fishing for compliments? Ihr Foto erscheint doch fast jeden Tag in der Presse oder in irgendeiner Fernsehsendung.«
    »So?« sagte er und dachte: Verdammt, die hast du schon mal gesehen … »Und wer sind Sie?«
    »Mein Name ist Weiersbach. Anja Weiersbach. Ich arbeite für den Kurier.«
    »Reporterin also?«
    Sie sah ihn mit ihren rauchgrauen Augen an, lächelte und nickte.
    »Auch noch! Ich habe den Eindruck, daß ich Ihnen schon irgendwann mal begegnet bin.«
    »Irgendwann? – Gerade, Herr Doktor. Ich hab' Sie drüben im Landgericht gesucht, konnte Sie aber nicht finden. Aber dann, auf dem Verbindungsgang zwischen Alt- und Neubau, kamen Sie mir plötzlich entgegen. Ich hab' zu spät geschaltet, und da waren Sie schon wieder weg. Aber dann sah ich, wie Sie die große Treppe zum Ausgang runtergingen. Da bin ich Ihnen nachgerannt.«
    Ihre Art zu reden gefiel ihm, und nicht nur ihre Art, diese halb naive, halb bewußte Spontaneität, das ganze Mädchen gefiel ihm, ihre Hände, die sie fröhlich an der Tischkante wippen ließ, ihre Augen, ihr Mund, ihre Stimme – und natürlich der Busen unter dem T-Shirt.
    »Und was soll das hier werden, Fräulein Weiersbach? Ich kann Sie ja gerne zu einer Tasse Kaffee einladen, von mir aus auch zu einem Croissant – die sind übrigens vorzüglich –, aber wenn auf Ihrem Programm steht, mich mit irgendwelchen Fragen zum Fall Ladowsky zu belämmern, dann muß ich Sie, so leid mir das tut, enttäuschen.«
    »Ist das eine Absage? Oder läßt sie bestimmte Varianten zu?«
    »Keine Varianten, keine Ausnahmen, total. – Übrigens habe ich das schon gestern durch unsere Pressestelle mitteilen lassen: Die Staatsanwaltschaft sieht sich zu diesem Zeitpunkt außerstande, irgendwelche substantiellen Mitteilungen über den Fall der Öffentlichkeit zu übergeben.«
    »Die Staatsanwaltschaft«, sagte sie, und diesmal wippten die Hände nicht mehr, diesmal trommelten die Finger leicht auf den Glastisch, hübsche Finger – »nun, die Staatsanwaltschaft sind doch Sie?«
    »Jetzt, beim Vorverfahren, also bei den Ermittlungen kann man das so formulieren.«
    Sie lehnte sich etwas zurück und hielt den Kopf schräg: »Auf mich machen Sie nicht gerade den Eindruck eines Mannes, der sich zu irgend etwas außerstande fühlt.«
    Seine Ohren wurden heiß. Eine Sekunde war ihm danach, ihr eine jener Abfuhren zu erteilen, für die er bekannt war. Doch irgend etwas hinderte ihn daran. Sie spielte also die ganze Partitur … Der Blick sagte es, und sicher hatte sie oft genug Erfolg damit. – Umgekehrt wiederum: Der Kurier war zwar ein Boulevardblatt, aber seine Auflage reichte an die der FAZ. Dieses kleine Mädchen mit ihrem schimmernden, sorgsam gebürsteten Haar und den grauen Augen hatte somit so viel oder noch mehr Macht als irgendein FAZ-Redakteur oder Leitartikler. Er mußte vorsichtig sein.
    So grinste Richard Saynfeldt zunächst einmal.
    »Liebe Anja Weiersbach, es gibt in jedem Beruf Grenzen. Das wissen Sie, das weiß ich. Ich hätte gewiß nichts dagegen, mich mit Ihnen ein wenig über die Dinge zu unterhalten, die …«
    Er ließ den Satz in der Luft hängen und blickte hinaus auf die Straße.
    Zuvor schon hatte er, von ihr abgelenkt, am Rande seines Wahrnehmungsvermögens irgendeine Unruhe ausgemacht. Nun sah er genauer hin: Eine ganze Menschengruppe hatte sich dort versammelt, was heißt Menschengruppe, ein Auflauf bildete sich draußen. Dazu kam dunkles, sattes Dieselgedröhn. Nun wußte er, woher es rührte: Die weiße Wand eines großen Kastenwagens schob sich auf den Bürgersteig vor der Croissanterie. RTL stand darauf.
    Die Eingangstür zum Lokal flog

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