Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
Anjou umbringt, dem ich – um es offen zu gestehen – sehr zugetan bin …«
»Was!« rief ich erstaunt, »Ihr seid dem Herzog zugetan? Diesem Ungeheuer, das Montesquiou befahl, den gefangenen Condé niederzumachen?«
»Ei ja, Hugenott!« entgegnete Fogacer lachend, »Ihr werdet doch diesen kleinen Raufbold von Condé nicht beweinen! Hat er nicht gewagt, die Waffen gegen seinen König zu erheben? Euer Coligny, der einen ungehorsamen Soldaten an den erstbesten Baum hängen läßt, was würde der wohl mit einem aufrührerischen Lehnsmann machen, wenn er König wäre? Und was haben nicht beide Seiten in unruhigen Zeiten alles getan? Muß ich Euch erst an die Michelade erinnern?«
»Ich war dabei, Gott sei’s geklagt!«
»In Wirklichkeit«, fuhr Fogacer mit einer Herzlichkeit fort,welche von seinem gewöhnlichen Sarkasmus meilenweit entfernt war, »ist Heinrich von Anjou ein Mann von großem Geist, brillant im Ränkespiel, fest in seinen Entschlüssen, geschmeidig in deren Ausführung und dazu ein guter Feldherr.«
»Hoho!« entgegnete ich, »es war doch wohl Tavannes, der die Schlachten bei Jarnac und Moncontour für ihn gewonnen hat!«
»Auf jeden Fall war Heinrich so weise, auf dessen kluge Ratschläge zu hören, was Karl IX. in seiner ungeduldigen und kindischen Art ganz sicher nicht getan hätte.«
»Potz Blitz, Fogacer!« rief ich da aus, »wenn Ihr so gut Freund mit ihm seid, dann könntet Ihr doch mein Gnadengesuch an seinen Bruder seiner Fürbitte anempfehlen!«
»Eine solche Empfehlung wäre Euer Tod, Siorac! Der König haßt seinen Bruder.«
»Er haßt ihn?«
»Aus tiefster Seele. Nächst Gott liebt der König nichts so sehr als seine Mutter, welche jedoch nicht ihn, sondern Heinrich von Anjou liebt, in den sie schon seit dessen frühester Kindheit ganz vernarrt ist. Sie hat dem vielgeliebten Sohn die große Macht verschafft, die er im Königreich innehat und kraft deren er fast dem König gleichkommt, welcher sowohl dem Bruder wie dem Herzog den Erfolg neidet, so daß er ihn kaum an seinem Throne duldet. Er wünschte ihn sich meilenweit hinweg. Außerhalb Frankreichs, wenn das möglich wäre! Verheiratet mit Elisabeth von England oder wenigstens zum König von Polen gewählt, residierend im fernen Warschau, umgeben von alten Haudegen und das Maul zugefroren vor Kälte. Karl IX. bemüht sich mit aller Kraft, ihn aus dem Louvre zu entfernen. So unerträglich ist ihm das Vizekönigreich, welches die Königinmutter in seinem eigenen Reich dem Herzog zusammengeheimst. Wenn er es wagte, würde er seinen so glanzvollen Bruder mit eigener Hand erdolchen. Doch da er ebenso fromm wie einfältig ist, fürchtet er seine Seele zu verlieren, wenn er wie Kain mit diesem Abel verführe!«
»Abel!« warf ich lächelnd ein, »macht Ihr den Herzog jetzt nicht zu sehr zum Engel?«
»Wissen wir nicht«, entgegnete Fogacer mit seinem vieldeutigen Lächeln, »daß es in diesem Tränental solche und solche Engel gibt?«
Herr im Himmel! dachte ich, sollten die beiden wohl weiße Schäfchen aus demselben Stall, sanfte Tauben aus demselben Schlag, herzige Welpen aus demselben Zwinger sein? Verstehe ich recht? Der Herzog auch? Sollte die heimliche Brüderschaft sich bis in den Louvre ausgebreitet haben?
»Fogacer«, fragte ich, den letzten Bissen dieses wunderbaren Pariser Weißbrotes, welches ich für das beste der Welt halte, hinunterschluckend, »Ihr, der Ihr die Flöhe husten hört im Hause des Königs, könnt Ihr meinen Verstand erhellen und mir Aufschluß geben, welches die kundbaren und die geheimen Gründe dieser Heirat zwischen Margot und unserem Navarra sind?«
»Die kundbaren oder die geheimen Gründe?« fragte Fogacer, seine mephistophelischen Augenbrauen nach oben gezogen.
»Beide.«
»Nun, erstere bestehen darin, daß mit dem Klang der Hochzeitsglocken Hugenotten und Papisten Brüder werden sollen, indem sie durch diese Verbindung der Königshäuser Frankreichs und Navarras und somit der beiden Reiche wieder ausgesöhnt werden.«
»Und die geheimen Gründe?«
»Danach müßt Ihr unseren Machiavelli im schwarzen Kleide, welchen Ihr Jesabel nennt, fragen. Sie hat diese Hochzeit angebahnt und wird sie gegen alle Widerstände, notfalls auch gegen den Willen des Papstes erzwingen.«
»Und was steckt dahinter?«
»Staatsgründe. Coligny ist unbeugsam, aber alt und bei schlechter Gesundheit, Navarra dagegen jung, unbekümmert, dem Anschein nach töricht, ziemlich lau in seinem hugenottischen Glauben und
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