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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Verachtung ein zweites Mal zu beleidigen!«
    »Ich dich verachten!« rief ich in höchstem Erstaunen. »Ich habe dir im Gegenteil höchste Achtung gezollt, indem ich dich nicht gegen klingende Münze einhandeln wollte.«
    »Heilige Jungfrau!« zischte sie, über alle Maßen empört, »solche Achtung kann mir gestohlen bleiben! Sie bedeutetnichts als Geringschätzung meines Leibes, welcher – laßt Euch das gesagt sein – schöner, glatter und weicher ist als der der Huren, welche Ihr gewöhnlich beehrt.«
    »Alizon, wer wüßte das besser als ich, der ich dich in deiner natürlichen Nacktheit gesehen!«
    »Der wahre Appetit zeigt sich beim Essen, nicht beim Betrachten!« schrie Alizon, die Finger mit den spitzen Nägeln vor Zorn wie Krallen gespreizt, welche sie alsdann, da sie nicht wagte, mir damit ins Gesicht zu fahren, in ihre Handflächen preßte.
    »Wie konnte ich dich wecken, Alizon, da du wie ein Klotz schliefest!«
    »Ein Klotz!« schrie sie, und bei jedem Wort verdoppelte sich ihr Grimm, »bin ich etwa ein Klotz?! Nein, Herr, ich wäre kein Klotz gewesen, wenn Ihr mich genommen hättet! Da habt Ihr Euer Geld zurück, ich will es nicht!«
    Worauf sie aus einer Tasche ihres Unterrockes die drei Sols zog, welche ich ihr am Abend zuvor gegeben, sie in hohem Bogen in die Kammer warf, die Arme über der Brust kreuzte und mich, von Kopf bis Fuß zitternd, herausfordernd anblickte. Ich begab mich zur Tür, lehnte mich dagegen und sprach in ruhigem Ton:
    »Alizon, hebe das Geld auf. Es gehört nicht dir, sondern deinem kleinen Henriot.«
    »Wie!« entgegnete sie, unversehens besänftigt, »Ihr erinnert Euch seines Namens?«
    »Ich erinnere mich sowohl seines Namens als auch all dessen, was du von ihm erzähltest: daß er dich mit seinen hübschen Augen anlächelt, wenn er an der Brust seiner Amme saugt und ihr dabei mit seinen rosigen Fingerchen auf den Busen patscht.«
    »Meine eigenen Worte!« sprach sie gerührt, und indes sie sich aus der Salzsäule, zu der sie geworden, wieder in ein Weib zurückverwandelte, setzte sie sanfteren Tones hinzu: »Mon sieur , habt Ihr Kinder gern?«
    »Aus ganzem Herzen.«
    »Ach, mein edeler Herr«, sprach sie da mit schluchzender Stimme, »wie unglücklich bin ich darüber, daß es zwischen Euch und mir diese Badestube gegeben hat. Ich hatte von anderem geträumt. Sagt, verachtet Ihr mich jetzt?«
    »Keineswegs«, erwiderte ich, »denn es war Not und nicht Habgier, was dich in die Badestube trieb.«
    Und indem ich zu ihr trat, nahm ich sie in die Arme, und meine kleine Teufelswespe ließ mich gewähren, ohne mehr wütend zu surren oder zu stechen.
    So hielt ich sie eine lange Zeit umschlungen, indes sie wie ein verletztes Vögelchen in einer sanften Hand wieder ihre Ruhe fand und ich mich fragte, ob ich sie wohl zu meinem Lager tragen sollte; doch so groß meine Begierde auch war, ich tat es nicht, vermeinend, daß es Alizon nach allem, was geschehen, nicht recht sei, denn zwischen uns standen die drei vermaledeiten Sols, welche alles verdarben, indem sie Scham und Bitternis in uns anstachelten. So verharrten wir schweigend aneinandergepreßt, ohne daß den Worten Taten folgten, was am Ende gewißlich hätte Verlegenheit aufkommen lassen, wäre mir nicht in den Sinn gekommen, ihr den Handkreisel, welchen ich gekauft, für ihren kleinen Henriot zu schenken.
    »Ha, Monsieur!« sprach sie darauf, sich von mir lösend und aus vollem Halse lachend (wohl auch, um ihre Gerührtheit zu verbergen), »das sieht einem Mannsbild ähnlich! Mein kleiner Liebling ist viel zu klein, mit einem Kreisel zu spielen. Ich werde ihn aufheben, bis er das Alter dafür hat. Oh, Herr! habt tausend Dank. Wie gut Ihr seid in Euerm Herzen!«
    Sie warf sich wieder in meine Arme, und die ihren rund und frisch um meinen Hals geschlungen, bedeckte sie mein Gesicht mit tausend kleinen Küssen. Hierauf las sie die Münzen zusammen, welche sie in der Tasche ihres Unterrocks verschwinden ließ, küßte mich nochmals, jedoch weniger heftig, und verließ die Kammer, trotz einiger Tränen an den Wimpern, wohlgemut und flinken Fußes, um die Haustreppe hinabzutänzeln.
    Ich öffnete den Brief, welchen Alizon mir gebracht und der in der Tat – wie sie vermeint hatte – von Pierre de l’Etoile war, welch letzterer mich für denselbigen Tag zum Mittagessen in sein Haus in der Rue Trouvevache einlud, wo ich Gesellschaft vorfinden würde, »die, obgleich nicht weiblich, doch nicht verfehlen wird, Euch zu gefallen: der

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