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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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ein großer Schürzenjäger. Wenn nun Coligny eines natürlichen – oder weniger natürlichen – Todes stirbt, wird Navarra das Oberhaupt der Reformierten, sitzt dann aber am Hofe, umschmeichelt von der Königinmutter, von seiner Frau Margot, von den Ehrendamen, und ist zu alledem noch Geisel in der Hand seines Schwagers, des Königs; so besteht die Hoffnung, daß er sich bekehrt, und dann wäre Eure Partei völlig ohne Haupt.«
    »Eine feine Rechnung!« sprach ich. »Was vermeinet Ihr dazu?«
    »Daß bei diesem Kalkül ein blödsichtiges Auge und eine noch schlechtere Nase Pate gestanden haben. Wenn Jesabel eine feinere Nase hätte, dann wäre ihr nicht entgangen, daß Navarra über alle Maßen durchtrieben ist. Und schließlich braucht Navarra als Haupt auch einen Leib und wird sich von diesem nicht lösen, ehe seine Macht in diesem Königreich nicht stärker verankert ist.«
    »Navarra wäre also der größere Machiavelli von beiden?«
    »Gewißlich. Navarra ist listig genug, den Toren zu spielen; mit seiner Unbekümmertheit streut er dem König Sand in die Augen, und den Hof bezaubert er mit einer ›Leutseligkeit, welche als Zeichen eines guten Herzens genommen wird‹, so der große Ball- und Rakettmachermeister Delay.«
    »Kennt Ihr ihn?«
    »Ich kenne Gott und die Welt!« erwiderte Fogacer mit gespielter Würde, »das heißt, alles was im Louvre ein und aus geht, vom Größten bis zum Kleinsten, der nicht immer so klein ist, wie er scheint.«
    »Dieser Kleine seid Ihr selbst, Fogacer, mit Euren scharfen Augen, welche Eure Umgebung so trefflich beobachten.«
    »Ich mußte mir wohl oder übel Schlauheit und Scharfblick zulegen«, seufzte Fogacer, lief ich doch seit meiner Kindheit ständig Gefahr, auf dem Scheiterhaufen zu landen, weil ich nicht so war wie die anderen. Ich verlasse Euch, Siorac, höchst betrübt, daß ich nichts tun kann für Euer Gnadengesuch. Hingegen …«
    »Hingegen?«
    Er lächelte auf seine spöttische, vieldeutige Weise, und indes er mich schalkhaft anblickte, umschloß er meine Rechte mit seinen feingliedrigen, festen Händen und sprach:
    »Ich werde Euch einen besseren Dienst erweisen, Siorac. Da ich, wie gesagt, Gott und die Welt kenne, könnte ich Euch vielleicht helfen, in diesem riesigen Paris Angelina von Montcalm zu finden.«
    »Wißt Ihr etwa, wo sie sich aufhält?« rief ich, von seinen Worten gleichsam ins Schweben versetzt.
    »Ich werde es in Erfahrung bringen.«
    »Oh, Fogacer!« stieß ich hervor.
    Doch ohne ein weiteres Wort ließ er meine Hand los, vollführte leichtfüßig eine Drehung, und schon war die hochgewachsene,hagere Gestalt in ihren schwarzen Kleidern tänzelnden Schrittes verschwunden.
    Unverändert in ihren Fettmassen am Ausgang thronend, fragte mich die Baderin, als ich meinen Morgenimbiß zahlte, ob ich zufrieden sei mit dem Bade sowie mit der Badmagd als auch der Schererin und der Gefährtin für die Nacht.
    »Oh, ja!« erwiderte ich, »zufrieden wie die Ratte im Stroh.«
    »Dann werdet Ihr also wiederkommen?«
    »Gewißlich, Gevatterin.«
    »In diesem Fall, mein schöner Edelmann, möchte ich Euch bitten, Babeau als auch Babette nicht wieder einen Sol Trinkgeld zu verehren.«
    »Und warum nicht?« fragte ich mit Erstaunen.
    »Weil«, so antwortete die Baderin, »Ihr sie mir sonst beide verwöhnt, wenn Ihr ihnen für kaum eine Stunde Arbeit so viel gebt, wie ich ihnen für den ganzen Tag gebe.«
    »Ich werde mich bedenken«, sagte ich darauf in kühlem Ton und zeigte unverweilt die Fersen, höchst angewidert von solch schnödem Geiz.
    Man kann nicht umhin anzuerkennen, daß die Grand’ Rue Saint-Honoré, durch welche mich mein Weg führte, sauberer ist als viele andere Straßen der Hauptstadt, denn sie zählt etliche schöne Adelspaläste, und auch der Louvre ist nicht weit, so daß das Pflaster recht proper aussieht und man dort reine Luft atmet, welche – besonders wenn einer wie ich am zeitigen Morgen aus den Badestuben kommt – auf unvergleichliche Weise belebend, erregend und beschwingend wirkt, wie ich es nirgends sonst erlebt, und einem schier Flügel wachsen läßt, was wohl, wie ich vermeine, die Ursache dafür ist, daß die Pariser so lebhaft in ihrer Rede, so rührig in ihren Geschäften und so ungestüm in ihren Leidenschaften sind, gleichsam berauscht von der Luft, welche sie atmen. Hinzu kam, daß der Morgen – obgleich es August war und die Mittagsstunde in der Hauptstadt so drückend heiß wie in Montpellier – von einer so

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