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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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höchster Wohlgewogenheit entgegen, als Pierre de l’Etoile mich ihnen vorstellte, und Ambroise Paré erging sich sogleich in einer großen Lobredeauf die Medizinische Schule zu Montpellier, welche er hoch über die zu Paris stellte, von der er vermeinte, sie habe sich rettungslos in den ausgetretenen Wegen der Scholastik verloren. Nach welchen Worten er, von Pierre de l’Etoile gebeten, an der Tafel Platz nahm und sogleich begann, alles, was eine Hausmagd und ein Diener ihm auftrugen, mit großer Begier, jedoch nicht ohne Bedacht zu verspeisen, denn ehe er einen Bissen hinabschluckte, drehte und wendete er ihn im Munde, als wolle er das Gute vom Schlechten unterscheiden – eine Angewohnheit, welche mich sichtlich verwunderte, bis er sie erklärte: man hatte ihn während der Belagerung von Rouen zu vergiften versucht.
    Bei dem Wort Scholastik, welches Paré ausgesprochen, war ein Zittern durch Ramus gegangen wie durch ein Roß, das die Sporen fühlt, und kaum saß er an der Tafel, begann er auch schon, ohne die Speisen anzurühren, mit flammenden Augen eine heftige Streitrede wider die genannte Scholastik, dabei Französisch und Latein vermischend, doch letzteres sogleich verdolmetschend, denn Ambroise Paré war dessen unkundig, da er Bader gewesen, ehe er Wundarzt geworden, und aus dieser Ursach die Künste nicht studiert hatte, wie Ramus es getan.
    »Ha, Ihr sprachet sehr treffend, Paré«, rief er, »von den ›aus getretenen Wegen der Scholastik‹, welche für meine Philosophie wie für Eure Medizin so unheilvoll sind, führen sie doch nur zu eitlen, leeren Disputationen, wobei jene großen Schwätzer, welche bloße Nachäffer wirklicher Gelehrsamkeit sind, nichts anderes zu tun finden, als den Aristoteles auszulegen, jenen Heiden, den sie als ihren Gott verehren und mit seinen angeblichen Wahrheiten selbst über Moses und Jesus Christus stellen, potz Blitz! Ich kann diese Götzenanbeterei nicht ausstehen, ebensowenig wie jene, welche die Gottesmutter Maria und die Heiligen zum Gegenstand hat.«
    »Monsieur de la Ramée«, sprach da l’Etoile, »ich bitt Euch, esset Euern Braten, solange er warm ist, und, um des Himmels willen, sprechet in diesem Hause nicht wider die Religion des Königs, welche«, so fügte er mit einem doppeldeutigen Lächeln hinzu, »auch die meine ist.«
    »Lieber Gastgeber«, entgegnete Ramus sanfteren Tones, »Ihr seid von so geradlinigem, offenem und tolerantem Geiste, daß ich schier vergesse, daß Ihr Papist seid. Ich bitte Euch undauch Monsieur de Siorac vielmals um Verzeihung für meine Worte.«
    »Was mich betrifft«, sprach ich, »gibt es nichts zu verzeihen. Ich hänge der reformierten Religion an.«
    »Wie wunderbar!« rief Ambroise Paré, indes er in einem Winkel seines Mundes auf etwas Speise herumkaute, ohne sie hinabzuschlucken, da deren Prüfung durch seine Zunge noch nicht beendet war, »Mein lieber l’Etoile, wir sind drei und Ihr nur einer. Folglich seid Ihr hier der Ketzer. Hätte doch der Himmel gewollt, daß auch im Königreich der Anteil der Hugenotten drei zu eins entspräche.«
    »Wenn dem so wäre«, entgegnete l’Etoile mit einem gezwungenen Lächeln, »dann würde man das Viertel, zu welchem ich gehöre, verfolgen.«
    »Das befürchte ich sehr«, setzte Ambroise Paré hinzu.
    Nach welchen Worten er in seinem Kauen fortfuhr, Zunge und Gaumen wachsam, den Blick abwesend, den vorsichtigen Sinn ganz auf das Innere seines Mundes gerichtet, als verdächtige er den guten l’Etoile, ihn vergiften zu wollen.
    »Was mich angeht«, hub Ramus wieder an, »so würde ich niemanden verfolgen, nicht einmal die Esel der Sorbonne in ihren langen Talaren, welche mein Buch über Aristoteles schmähen.«
    »Man muß aber doch zugeben, daß Ihr in Euerm Buch wider Aristoteles nicht mit heftigen Worten gespart habt«, erwiderte l’Etoile. »Habt Ihr nicht gewagt, darinnen jenen bissigen Satz zu schreiben:
Quaecumque ab Aristotele dicta essent, commentitiae esse?
«
    »Verdolmetscht mir diese Worte, ich bitt Euch«, sprach da Paré.
    »Alles, was Aristoteles gesagt, sind nur Falschheiten.«
    »Hoho!« sagte Paré.
    »Gestehet ein, Monsieur de la Ramée«, fuhr l’Etoile fort, »daß dies bedeutete, ein rotes Tuch vor den sorbonnischen Stieren zu schwenken.«
    »Armselige Stiere!« erwiderte Ramus mit dem Ausdruck höchster Verachtung, worüber wir lachten.
    »Und angesichts dessen ist es wohl nicht verwunderlich«, sprach l’Etoile weiter, »daß einige Stubengelehrte der

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