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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Rundheit der fleischigen Glieder, so daß seine mannhafte Erscheinung nicht so sehr dem Bau seiner Glieder als vielmehr der Gestalt seines Körpers, insonderheit seinen breiten Schultern und schmalen Hüften, geschuldet war.
    Da indes Giacomi, nunmehr fertig angekleidet, mir mit seinen lebhaften, ausdrucksvollen Augen zu verstehen gab, er wünsche mit mir zu sprechen, verließ ich Samsons Kämmerchen und begab mich in das meine, wohin der Fechtmeister mir augenblicks folgte.
    »Mein Herr Bruder«, hub er an, »warum lasset Ihr Samson nicht nach Montfort-l’Amaury ziehen, da er dies doch so begehrt? Er ist nicht in seinem Elemente in diesem Paris, das er verabscheut. Zudem ist er eines so starren und eifernden Sinnes, daß es Gefahr bedeutet, ihn in den Gassen herumlaufen zu lassen, wo das Pariser Volk die Hugenotten über alle Maßen haßt und verabscheut.«
    »Giacomi«, erwiderte ich, »was Ihr da saget, geht auch mir im Sinn herum, seitdem er von den Eiferern der Marienprozession fast in Stücke gerissen worden wäre. Doch zögere ich noch. Mein Vater hat ihn meiner Obhut anvertraut, und es widerstrebt mir, ihn nach Montfort zu schicken, wo er so weit von meinem brüderlichen Auge entfernt ist.«
    »Doch auch hier«, wandte Giacomi ein, »vermag Euer Auge ihm kaum mehr zu folgen. Und während Ihr Euch in Paris so vielen verschiedenen Angelegenheiten widmet, trauert unser armer Samson, zum Müßiggang verurteilt, seinen fernen Arzenei-Gefäßen nach. Die leeren Stunden wiegen schwerer als die ausgefüllten, wie Ihr wißt.«
    »Und Ihr, Giacomi …«
    »Oh, auf mich«, erwiderte er, »trifft solches nicht zu. Ich werde von heute an mein Handwerk ausüben als Gehilfe des Sergeanten Rabastens, welchem ich meinen Stand zu erkennen gegeben, als Ihr mit Herrn von Nançay sprachet.«
    »Was! Giacomi!« rief ich aus, »als Gehilfe von Rabastens! Ihr, ein Meister! Eine Standesperson!«
    »Ich empfinde darob keine Scham«, entgegnete Giacomi lächelnd, »denn Rabastens ist ein ehrenhafter Mann, und ich kann nicht leben, ohne meinen Degen zu handhaben; die Ausübung meiner Kunst ist mir so notwendig wie das tägliche Brot. Und offen gesagt, da das Leben so teuer ist in diesem Paris, werde ich so auch Gelegenheit finden, einiges Geld zu verdienen, wodurch der Säckel meiner vielgeliebten Brüder geschont wird.«
    »Oh, Giacomi!« sprach ich, ihn inniglich umarmend und auf die Wangen küssend, welche Küsse er, ohne zu geizen, erwiderte, »alles, was mein ist, ist auch dein, wie du weißt.«
    »Und alles Meinige auch dein«, setzte Giacomi ernst hinzu, »eingeschlossen meine Arbeit und das wenige Geld, das ich damit vielleicht verdiene. Ach, warum vermag ich es nicht,meine Kunden Gold genug ausschwitzen zu lassen, daß es für dein bitter benötigtes Wams reicht!«
    »Ach, Giacomi!« sprach ich mit einem Seufzer, der eine Windmühle hätte in Drehung versetzen können, »wer hätte gedacht, als ich zu Montpellier für Madame de Joyeuses Dukaten dieses Wams anfertigen ließ und es ihr in eitlem Stolze vorführte, daß es mir eines Tages in Paris zur Schande gereichen würde! Und dann diese Flicknaht! O Herr im Himmel! Macht denn nur das Kleid den Mann? Zählen mein Mut und mein Wissen denn gar nichts? Ach, Giacomi! Die Welt und ihre Sitten sind mir so zuwider, daß ich, wäre ich Papist, die Kutte anlegen würde!«
    »L’abito non fa il monaco!
1
«
entgegnete Giacomi lachend. »Und Kutte ist auch nicht gleich Kutte. Die Eure müßte wohl aus feinstem Tuche sein, denn Ihr würdet nicht eher ruhen, als bis Ihr Abt wäret.«
    Worüber wir beide lachten, und auf das Versprechen hin, daß ich des Nachmittags in den Louvre käme, ihm bei seinen Fechtübungen zuzusehen, verließ er mich, indes ich mein Schreibzeug und Papier zur Hand nahm und in die Werkstatt hinabging, wo ich mich an einen großen Tisch nahe den Fenstern niederließ. Da ich meine Feder zu schneiden begann, hielten Baragran und Alizon sogleich in ihrem üblichen Geschwätz inne.
    »Gesellen«, sprach ich da, »schwatzet nur weiter. Ich schreibe deshalb nicht schlechter.«
    »Oh, Monsieur! Das würde ich nicht wagen!« entgegnete Alizon. »Kostet es doch eine gar große Anstrengung des Hirns, einen flüchtigen Gedanken aufs Papier zu bringen. Schreiben kann ich zwar nicht, doch ziemlich gut lesen«, fügte sie stolz hinzu, »und wieviel Mühe verursacht es mir schon, nur einen kleinen Brief zu entziffern! Nein, Monsieur, ich werde den Mund nicht auftun, solange Ihr

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