Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
durch den Herzog von Guise und die Jesuiten, denn er ist ein frömmelnder katholischer Glaubenseiferer, der mit den Wölfen heult, ansonsten ein galliger, rachsüchtiger Giftzwerg; er haßt unseren Freund hier, der seine abgrundtiefe Unwissenheit entlarvt hat, auf den Tod.«
»Oh, ich kenne diese sorbonnischen Anfeindungen!« fügte Ambroise Paré hinzu, das langsame Mahlen seiner Zähne unterbrechend. Jedesmal wenn die Entdecker unserer Zeit abseits der ausgetretenen Wege der Scholastik auf eine Wahrheit stoßen, gibt es keinen noch so kleinen Kathedergelehrten der Sorbonne, der nicht, auf seinem Aristoteles hockend wie der Rabe auf dem Kirchturm, endlose Beleidigungen gegen sie hervorkrächzte! So auch gegen mich, da ich gewagt, meine Hände zu rühren, und dabei vermöge meines Messers entdeckte, was jene Kritikaster nicht in ihren Büchern gefunden. Es ist dem öffentlichen Wohl und dem allgemeinen Besten gar wenig zuträglich, wenn ein mit griechischen Zitaten um sich werfender Stubengelehrter, der seine ganze Weisheit nur dem Hippokrates abgestohlen hat, auf seinem königlichen Lehrstuhl von der Wundarzneikunst schwätzt, ohne sie zuvor mit seinen Händen ausgeübt zu haben! Nicht in der Bibliothek, sondern auf dem Schlachtfeld verfiel ich auf den Gedanken, beschädigte Blutadern abzubinden.«
»Hochverehrter Meister!« sprach ich mit Wärme, »die verletzten Soldaten unserer Kriege werden Euch dafür ewig Dank wissen, denn das Kauterisieren der durch Amputation entstehenden Wunden mittels Öl und Brenneisen verursachte gar entsetzliche Schmerzen!«
»Welche«, fügte Ambroise Paré mit einem Kopfnickenhinzu, »bei den Amputierten oft so heftig waren, daß sie den Tod nach sich zogen. Nach solcherart Beobachtungen, in den Ohren noch die Schmerzensschreie der Soldaten, deren Wunden so grausam ausgebrannt wurden, sagte ich mir: wenn das Blut aus den Adern fließt, müßte es doch – diesem Blutflusse Einhalt zu tun – genügen, die Adern abzuschnüren, nachdem sie durchschnitten sind.«
Dies schien so einfach in der Erklärung wie in der Ausführung, daß man sich nur wundern konnte, warum kein anderer Wundarzt vor ihm auf diesen Gedanken gekommen war. Und, so dachte ich bei mir, herausgefunden hat es einer, der weder das Griechische noch das Lateinische versteht und nicht einmal Doktor der Medizin ist!
»Ihr habt ganz richtig gesagt: die Hände rühren«, sprach da Ramus, sich von neuem ereifernd, »das ist es, was die Hämlinge der Sorbonne niemandem verzeihen, sie, die nur in ihren Rattenlöchern hocken und sich von neuem unnützem Bücherwissen spreizen wie der Hahn auf dem Mist! Und so behauptet auch der ungelehrte Charpentier in seiner Verachtung für eine Wissenschaft, die er gar nicht kennt, bei jeder Gelegenheit, das Rechnen und das Messen seien der Kot und Unrat der Mathematik. Wozu unsere Platoniker, welche allein die rein geistige Betrachtung der Dinge als ihrer würdig ansehen, eifrigst applaudieren. Gewiß sind die Lehrsätze der Mathematik an sich bewundernswert und tiefgründig, doch wieviel wunderbarer sind die Früchte, die sich daraus zu Nutz und Frommen des Menschen ziehen lassen! Ich erachte die Spekulationen über den inneren Geist der mathematischen Wesenheiten für vergeblich und fruchtlos. Der Zweck der Wissenschaft besteht in ihrer Anwendung, so wie es der Vernunft widerspräch, in der Erde nach Gold zu suchen, ohne an ihrer Oberfläche auch Gemüse anzubauen.«
»Ei, welch vortrefflicher Denkspruch!« fügte ich an »und wie sehr würde es meinen Vater erfreuen, ihn von Euch zu hören!«
»Und aus vorgenanntem Grunde«, hub Ramus wieder an, »erwächst die Größe des Archimedes nicht allein aus seinen Lehrsätzen, sondern aus den Anwendungen, welche er daraus herleitete: die Schraube ohne Ende, den Flaschenzug, das Zahnrad, die Kriegsmaschinen bis hin zu den großen Brennspiegeln,womit er die römischen Schiffe in Brand setzte, welche seine Vaterstadt belagerten. Wisset Ihr, Monsieur de Siorac, wandte er sich an mich, der ich ihm mit Begeisterung zuhörte, daß die sorbonnischen Esel mir vorgeworfen haben, daß ich in mein Arithmetikbuch auch Rechenweisen aufgenommen, deren sich die Kaufleute zu Saint-Denis mit großem Gewinn bedienen? Man hat natürlich nicht zu behaupten gewagt, sie seien falsch, denn wie hätte man solches beweisen sollen? Doch sie haben erklärt, jene Rechenweisen seien beschmutzt und besudelt, da sie im praktischen Gewerbe Anwendung finden. Oh!« rief er,
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