Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
(mit dem Ernste, welcher mir dem Anlaß angemessen schien), worauf ich – wie ich es glaubte tun zu müssen – mit Artigkeit das Brot verzehrte.
»Monsieur de Siorac hat das Glas geleert!« rief Corinne, während die beiden Diener wacker in die Hände klatschten. »Er hat das Glas geleert und die
tostée
verzehrt! Sein Glück in der Liebe wird also groß sein, wenn Gott will!
Und nun«, fuhr sie mit blitzenden Augen fort, »nicht länger gesäumt, meine Lieben! Hurtig und geschwind. Ich habe allein mit Monsieur de Siorac zu tun.«
Worauf sie mich, mit ihrer kleinen Hand meinen Arm fassend, in ein benachbartes Gemach zog, worinnen beim Scheine einer einzigen Kerze ein großes, rot ausgeschlagenes Bett zu sehen war, auf welchem sich so viele Kissen türmten, wie ich es noch nie gesehen. Doch blieb mir zu weiterer Betrachtung keine Zeit, denn nachdem Corinne hinter mir flink die Tür verschlossen und den Riegel vorgelegt, schlang sie mir unversehens ihre Arme um den Hals und drückte ihre frischen Lippen auf die meinen.
Oh, Leser, welch ein köstlicher Nachtisch war dies! Und wieviel Kraft kostete es mich, daß er nicht auf besagtem Kissenberg endigte. Sapperment! Wie verwünschte ich in meiner Seele (und außerhalb) mein kitzliges Ehrgefühl, welches ausschloß, der Dienerin zu willfahren, wenn sich die Herrin angesagt hatte.
Doch so ist der Mensch! Auch die Eitelkeit ist im Spiel bei diesen Dingen. Das Vergnügen allein ist nicht genug, es braucht noch einigen Ruhm dazu. Denn obzwar ich auf Mespech Gefallen gefunden hatte an meiner kleinen Schlange Gavachette (welcher ich nun dank den herzoglichen Dukaten den Ring von Gold zu verehren vermochte, den sie sich beim Abschied gewünscht), so hatte mich doch Madame de Joyeuse gelehrt – und ein großer Geist mir dafür Lob gezollt –, mein Vergnügen in der Würde meiner Geliebten zu suchen.
Nicht daß ich mich von einem Titel blenden lasse oder die Baronin über die Magd stelle. Doch wenn dies auch gleiche Blumen sind, so ist es nicht der gleiche Strauß. Als ich einige Jahre später die »Essays« von Michel de Montaigne las, fand ich, daß er darinnen nicht ohne einige Genüßlichkeit von den Verführungskünsten der Damen sprach. Ich weiß sehr wohl, was Montaigne damit meint, denn ich liebe es, wenn eine Frau nicht zu einfältig ist, sondern es versteht, uns mit ihrer Erfindungsgabe und ihren Ausflüchten den ganzen Wert dessen, was sie gibt, fühlen zu lassen. Gewißlich verabscheue ich die Erzkoketten, die nur falsche Hoffnungen wecken. Doch so die Festung die Absicht hat, sich zu ergeben, verleihen kokettes Gebaren, verdeckte Anspielungen, doppelsinnige Rede und vieldeutige Blicke den ersten Scharmützeln einen ganz unbeschreiblichen Reiz, welcher den Wert der höchsten und letzten Gaben aufs schönste steigert.
Von Madame des Tourelles wußte ich indes nur, was mir Quéribus über sie gesagt (woraus vielleicht gar die Verachtung eines abgewiesenen Liebhabers sprach); doch da meines Bedünkens der Beweis für eine Tatsache in dieser selbst liegt, wollte ich Gewißheit haben, ob die hohe Dame mir tatsächlich übel mitspielen und mir all das Gute verweigern wollte, das sie mir versprochen. Schließlich verlangt man doch nicht von einem Liebhaber, sich das Haar am ganzen Leib abscheren zu lassen, wenn man ihm nur ein paar flüchtige Küsse auf die Lippen hauchen will!
»Corinne«, sprach ich also, ihre Hände von meinem Nacken lösend und ihren holden Leib mit ausgestreckten Armen auf Abstand haltend, »was soll dieses Halsen und Kosen, meine Hübsche? Wohin soll das uns führen?«
»Heiliger Himmel!« erwiderte sie, »ist das nicht offenkundig, liebster Herr? Habe ich Euch nicht gesagt, ich wolle mich Euerm Willen fügsam zeigen? Was zögert Ihr also, meine Unterwerfung in Anspruch zu nehmen? Traget Ihr denn kein Begehr nach mir?«
»Doch, und du hast es sehr wohl gespürt.«
»Also dann genug geschwatzt, Herr! Tut es nicht einem schlecht abgerichteten Falken gleich. Die Beute ist nah, also ergreifet sie!«
»Corinne«, entgegnete ich lächelnd, »es ist gewißlich ein hübsches, zartes Vögelchen, welches ich da in die Fänge bekäme. Doch gegenwärtig jage ich nach anderem Wild.«
»Aber mein edeler Herr!« rief sie aus, »könnt Ihr nicht beides jagen?« Und ihre Arme aus meinen Händen windend, wollte sie sie mir gleich zarten Banden wieder um den Hals schlingen, doch ich entzog mich dieser Umschlingung und schob, sie an den Schultern fassend,
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