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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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dieser Lage, als der berauschenden Schönheiten zu entsagen, nach denen zu verlangen Ihr mich bei unserer ersten Begegnung ermuntert habt, und fortan auf die Ehre zu verzichten, mich Euern untertänigen, gehorsamen und ehrerbietigen Diener zu nennen.
    Pierre de Siorac«
     
    Ich faltete und siegelte dies Liebesbriefchen und händigte es Corinne ein, welche zwischen ihren blonden Zöpfen ein höchst betroffenes Gesicht zeigte.
    »Ach, Herr!« sprach sie, »ich weiß nicht, was Ihr Madame da aufgeschrieben habt, doch wird sie sehr erzürnt sein, daß Ihr es wagt, Ihrem Willen zuwiderzuhandeln. Für mich selbst ist ein Abend verloren, von welchem ich mir gar viel versprochen, denn die Natur hat mich so geschaffen, daß ein jedes rechtes Mannsbild mich ins Paradies zu versetzen vermag, um so mehrIhr, gnädigster Herr, der Ihr von so galantem und heißblütigem Wesen seid.«
    Um es frei zu bekennen, ich verließ diese liebreiche Jungfer nicht ohne einiges Bedauern und gab ihr einige Sols in die Hand, ehe ich mich zum Gehen wandte.
    Wir zogen blank, Miroul und ich, sobald wir auf die Straße hinaustraten, denn die Stunde war schon fortgeschritten und die Nacht kohlrabenschwarz. Auch bewegten wir uns in der Mitte der Straße, sozusagen im Schmutz und Kot des Rinnsteins, damit man uns nicht unversehens aus einem Hauseingang heraus anfallen könne.
    »Oh, Moussu!«, sprach Miroul, welcher als Linkshänder uns nach der linken Seite deckte, wie ich dies nach der anderen tat, »man muß schon sagen, Ihr seid ein rechter Narr, daß Ihr Euch damit diese stolze Baronin zum Feind gemacht habt! Warum ließet Ihr den Dingen nicht ihren Lauf, was Euch wohl kaum Schaden eingebracht hätte? Statt dessen habt Ihr den Ärger dieser hohen Dame erregt, von der Ihr sicher sein könnt, daß sie sich zu rächen versuchen wird.«
    »Ich verstehe dich wohl, Miroul«, erwiderte ich. »Doch muß man denn unterwürfig zu Füßen einer Schönen kriechen, damit man am Ende in ihr Bett eingelassen wird? Madame de Joyeuse, die eine Vicomtesse war und in ihren Launen mitnichten Widerspruch duldete, hätte nie gewagt, mir einen so unverschämten Possen zu spielen. Warum sollte ich also von Madame des Tourelles dieses gemeine Bubenstück hinnehmen?«
    »Moussu«, sprach Miroul, »sie ist eben eine Dame vom Hofe, und bei Hofe betreibt man, wie ich sehe, die Dinge nicht auf eine so leutselige Art wie in unseren Provinzen des Südens, sondern unbarmherzig und mitleidlos, wie Ihr es heute nachmittag mit Monsieur de Quéribus erlebtet. Moussu, wir müssen uns mehr den Gepflogenheiten der Hauptstadt beugen, oder wir werden alles verlieren, fürchte ich.«
    Doch Alizon, welche mit Baragran und Coquillon noch bei der Arbeit war, als wir bei Meister Recroche anlangten, hatte eine ganz andere Ansicht, als sie, meine Kerze zu holen, in meine Kammer kam, höchst zufrieden darob, mich schon so bald wieder im Haus zu sehen, denn sie hatte von Miroul erfahren, wohin ich ging, zu wem und aus welcher Ursache.
    »Mein edler Herr«, sprach sie, »Ihr tatet recht! Ihr wäret ohnehin leer ausgegangen! Die Baronin, so sagt man, läßt sich in allem von ihrem Beichtvater leiten und will nicht zur Ehebrecherin werden, obzwar sie sich gern einen solchen Anschein gibt, um mit der herrschenden Mode zu gehen. Doch wenn ich Corinne glauben darf, dann geschieht in dem kleinen Haus in der Rue Trouvevache nichts außer gewissen Vertraulichkeiten, die sie selbst und Nicotin gewähren.«
    »Aber«, so warf ich ein, »sind nicht auch solche Vertraulichkeiten sündhaft?«
    »Wo denkt Ihr hin, Monsieur!« entgegnete Alizon. »Eine Kammerzofe und ein kleiner Page? So was zählt doch nicht, dafür sind sie von zu niederem Stande.«
    Den nächsten Morgen teilte Meister Recroche mir mit, Hafer und Heu seien äußerst knapp geworden zu Paris infolge des großen Zustromes an Volk und folglich die Preise für solches Futter arg gestiegen, so daß er zu seinem großen Bedauern zwei Sols statt einem für jedes Pferd verlangen müsse, und für das Wasser, sie zu tränken, wolle er fortan vier Sols und nicht mehr nur zwei.
    »Was!« rief ich aus, »Meister Recroche, ist das Wasser im Preis ebenso gestiegen wie der Hafer und das Heu? Schöpft Ihr es nicht aus Euerm Brunnen?«
    »Welchselbiger, mein gnädiger Herr«, erwiderte er mit einem Kratzfuß, in den er einigen Spott legte, »nur noch schwach fließt, so daß ich befürchte, er könne vollends versiegen. Wenn nun das Wasser in meinem Brunnen sinkt,

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