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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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ihren so liebreizenden Körper von mir, denn ich hatte Zweifel, ob ich ihm widerstehen könnte, so er sich wieder an den meinen schmiegte.
    »Pfui, Corinne!« sprach ich mit entrüsteter Miene. »Du würdest deiner Herrin die Erstlinge des Gartens stehlen, so daß ihr nur die Hälfte der Ernte bliebe! Ist das recht gehandelt gegen eine edele Dame, welche dich in ihr Haus aufgenommen und so gut zu dir ist?«
    Worauf Corinne über und über errötete und schier empört sprach:
    »Gnädigster Herr! Ich liebe die Frau Baronin aufrichtig und bin ihr treu ergeben, auch füge ich mich in allem ihren Befehlen!«
    »Was!« rief ich aus, »und was tust du alljetzt? Fügst du dich so ihren Befehlen?«
    »Aber gewiß!« antwortete sie mit zorniger Stimme.
    »Corinne, ich bin aufs höchste verwundert! Madame des Tourelles soll dir befohlen haben, daß du mir hier deinen liebreizenden Körper darbietest? Kann ich solches glauben?«
    »Glaubt es oder glaubt es nicht, Herr!« rief sie mit flammendenAugen. »Es ist die reine Wahrheit, das bezeuge ich bei der gebenedeiten Jungfrau und allen Heiligen des Paradieses.«
    »Aber zu welchem Zweck?« fragte ich mit zum Himmel erhobenen Armen.
    »Um Euch zu prüfen.«
    »Mich zu prüfen?« sprach ich in höchstem Erstaunen, »und warum?«
    »Um herauszufinden, ob Eure Vorzüge es rechtfertigen, daß sie Euch die gewünschten Vertraulichkeiten angedeihen läßt.«
    »Potz Blitz!« schrie ich da, unversehens voller Grimm, »ist das etwa Paris? Sind das die hochfeinen Damen vom Hofe? Mich prüfen! Hat man jemals von einer derartigen Unverschämtheit gehört? Bin ich denn ein Hengst, welcher ausprobiert wird, ehe man ihn zur Stuterei führt? Wird man mir vielleicht noch einen Ring durch die Nase ziehen wie einem Stier? Sapperment, das ist ja unerträglich! Für wen hält sich diese hohe Dame und wieviel bildet sie sich ein auf die königliche Gunst, daß sie vermeint, ich hätte demütig in der Bannmeile ihres guten Willens zu warten?«
    »Monsieur«, sprach Corinne nicht ohne einige Bissigkeit (obzwar sie ein herzensgutes Frauenzimmer war), »ich verstehe nicht das mindeste von Eurer Rede. Unsere schönen Edelleute vom Hofe machen gewöhnlich kein solches Aufheben und ergötzen sich an mir recht leidlich.«
    »Hier geht es um anderes, Corinne«, sprach ich sanfteren Tones. »Der Liebreiz, den du besitzest, könnte alle Heiligen, die du im Munde führst, in die ewige Verdammnis locken. Ich verachte deine Reize nicht, ganz im Gegenteil; was mich rasend empört, ist die Anmaßung, mit der du zu meinem Richter gemacht werden sollst. Liebes Kind«, fügte ich hinzu, die Tür öffnend und mich in das Gemach begebend, worinnen wir getafelt, »bring mir Schreibzeug. Ich will mich ungesäumt deiner Herrin erklären, denn ich gedenke nicht, bis Mitternacht hier zu verweilen.«
    Miroul und Nicotin, welche gerade die letzten Überreste des Mahles vom Tisch räumten, rissen die Augen weit auf, da sie uns so bald wieder erscheinen sahen, Corinne ganz errötet und ich mit finsterer Miene. Doch sprachen die beiden Diener kein Wort, so offensichtlich war mein Grimm und die Verwirrung der Zofe.
    Die wackere Jungfer hätte mir wohl gern Tintenfaß, Federn und Papier verweigert, denn sie begriff, daß mein Schreiben an ihre Herrin nicht sehr liebenswürdig ausfallen würde, doch sie wagte es nicht, und so schaffte sie das Verlangte mit gesenkten Augen herbei. Worauf ich, nachdem ich mich beim Federspitzen bedacht und einen Entwurf gefertigt, den ich bei mir behalten wollte, folgendes Schreiben an die Baronin von Tourelles aufsetzte:
     
    »Madame,
    ich scheute keine Mühe, den Geboten, welche Ihr gestern in Eurer Kutsche zum Ausdruck gebracht, auf das genaueste nachzukommen, und wenn Ihr mir die Ehre erwiesen hättet, in Euerm Hause zu sein, als ich mich auf Eure Einladung dorthin begab, hättet Ihr mich so vorgefunden, wie Ihr gewünscht: den Leib so glatt und haarlos wie Nicotin, die Kleidung so prächtig wie die eines Kavaliers vom Hofe.
    Ich befand indes, daß ich meine Willfährigkeit nicht so weit steigern sollte, wie Ihr es gern gehabt, denn meines Bedünkens zeugt es von recht wenig Wertschätzung für mich, eine Kammerzofe vorzuschicken, auf daß sie meine Fähigkeiten prüfe.
    Da ich zuviel Hochachtung für Euch selbst und Euern Stand empfinde, als daß ich zu erwägen wagte, meinerseits Eure Fähigkeiten von meinem Diener Miroul einer Prüfung unterziehen zu lassen, sehe ich keinen anderen Ausweg aus

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