Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
erster, unvollkommener Entwurf war.
Doch kehren wir zu meinen Angelegenheiten zurück, welche trotz meiner neuen Ausstaffierung und meines wohlgefüllten Säckels nicht zum besten standen. Ich blickte also mit sorgenvollem Gesicht auf Fogacer, Giacomi und Miroul (dessen Rat anzuhören mein Vater mir angetragen hatte) und sprach mit leiser Stimme:
»Meine Freunde, was soll ich nur beginnen?«
»Aspettate domani
1 «
, sagte Giacomi.
»Patienti vincunt
2 «
, entgegnete Fogacer. »Der Hof vergißt schnell. Die Gnade vergeht. So auch die Ungnade.«
Miroul sprach auf okzitanisch, dabei mit dem Kopfe nickend:
»Samenas sezes en Brial. N’auras tot l’estiu.
3
«
»Dann sind wir also einer Meinung«, sprach ich.
»Aber ich habe doch die meine noch gar nicht kundgetan«, ließ sich da Samson mit so traurigem und betrübtem Gesicht vernehmen, daß ich seinen Arm ergriff, ihn an mich drückte und mit sanfter Stimme zu ihm sagte:
»So sprich, mein Samson.«
»Wir bleiben«, sprach Samson mit halberstickter Stimme, »doch Ihr müßt mir versprechen, mein Herr Bruder, dies Babylon hier in dem Augenblick zu verlassen, da Euch der König seine Gnade gewährt.«
»Ich verspreche es«, erwiderte ich ohne Zögern.
Leichtfertig gab ich dieses Versprechen, und leichtfertig brach ich es hernach zu meinem großen Unglück, denn ich mußte einen hohen Preis dafür zahlen und es gereute mich gar sehr, wie der Leser noch erfahren wird.
Unbeschwert und voller neuer Hoffnung, in welcher meine Freunde mich bestärkt hatten, verließ ich sie in der Rue de la Ferronnerie. Sie begaben sich zu Guillaume Gautier, sich an dessen guter Kost zu laben, indes ich, nur von Miroul begleitet (welcher so lange in mich gedrungen war, bis ich ihn mitnahm), meine Schritte zu dem kleinen Haus in der Rue Trouvevache lenkte, wohin die Baronin des Tourelles mich zum Nachtmahl geladen. Auf unser Klopfen öffnete sich die Tür, nachdem durch das Gitter des Guckfensterchens ein Auge uns betrachtet hatte, und der hübsche kleine Page Nicotin stand vor mir, einen spöttischen Zug im Gesicht.
»Ist die Baronin zugegen, Nicotin?«
» Bei meinem Gewissen,
das weiß ich nicht!« erwiderte Nicotin, welcher es ganz natürlich fand, zu sprechen wie seine Herrin oder unsere Hofgalane, denn er hatte nie eine andere Sprache gehört.
»Und Corinne?«
»Ich werde sie herbeiholen, wenn es recht ist, Monsieur«, sprach er mit einer tiefen Verbeugung, seinen Spott höflich verbrämend, was mir den Vorwand nahm, ihm einen Fußtritt in den Hintern zu versetzen.
»Oh, Moussu!« sprach Miroul, nachdem der kleine Page verschwunden, »die spöttische Höflichkeit dieser Pariser bringt mir das Blut zum Kochen. Selbst dieses Kerlchen serviert Euch seine kleinen Unverschämtheiten in einen Kratzfuß verpackt.«
»Du wirst ihm zwei Sols von mir geben. Das wird ihn freundlicher machen.«
»Zwei Sols! Eine Maulschelle wird er von mir bekommen und einen gehörigen Tritt in sein hübsches Ärschlein.«
Worüber ich lachte.
»Oh, Moussu«, fuhr Miroul fort, »mir schwant nichts Gutesfür den Abend hier. Wie der Diener, so die Herrin. Ich wette, man will uns zum Narren halten.«
»Das hat man mir von anderer Seite auch schon zu befürchten gegeben«, sprach ich mit leiser Stimme. »Doch wie soll ich es herausfinden, Miroul, wenn ich nicht den Versuch wage?«
»Es wäre Jammer und Schade, wenn man Euch sitzenließe! Dann hättet Ihr Euch ganz vergebens das Haar vom Leibe scheren lassen! Und was wird unsere Barberine sagen, wenn sie Euch so kahl sieht?«
»Ha, Miroul«, erwiderte ich, »jetzt willst du mich zum Narren halten!«
Doch er konnte nicht antworten, denn Corinne erschien, angetan mit einem smaragdgrünen Rock, welchen zwei mandelgrüne Streifen zierten, und einem Mieder von gleicher Farbe, das ihren zarten Busen nur halb bedeckte. Sie war ein gefälliges, blitzsauberes Frauenzimmer von blühender Gesundheit, auf ihrem Angesicht nicht die kleinste Spur von Schminke, die Stirn strahlend, das Auge jugendfrisch, die Zähne blitzendweiß, die Lippen sinnlich, das blonde Haar zu zwei langen Zöpfen geflochten, welche ihr die zartroten Wangen kosten.
»Heiliges Kanonenrohr!« stieß Miroul leise hervor, indes ihm die Augen schier aus den Höhlen quollen.
»Mein edler Herr!« sprach Corinne, einen gewagten Knicks vollführend. Worauf sie vor mich hintrat und in ihrer lebhaften Pariser Sprache zu plappern begann:
»Ei, gnädiger Herr, wie prachtvoll Ihr ausseht! Wie
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