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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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verweigern. Da er sie ihm indes auch nicht zugestehen wollte, tat er es demjenigen nach, welchen er sich zum Tochtermann erwählt hatte: er vollführte stumm eine artige Verbeugung, wonach er sich kurzerhand umdrehte, Herrn de la Condomine am Arm ergriff, mit ihm das Gemach verließ und mich einfach stehenließ.
    Ich folgte ihnen auf die Straße und sah, daß trotz der drückenden Mittagshitze die Vorhänge der Kutsche heruntergelassen waren. Ich zweifelte nicht, daß dies auf Herrn von Montcalms Geheiß geschehen war, um zu verhindern, daß Angelina mich sähe und ich sie sprechen könnte. Empört ob solch gemeinen Zwanges, der meiner Liebsten angetan ward, und neuen Mut schöpfend bei dem Gedanken, daß Herr von Montcalm, der keine schlechte Seele hatte, seiner Tochter (welche er überaus liebte) solches nicht angetan hätte, wenn sie seinen Wünschen gefügig wäre, näherte ich mich der Kutsche in der Hoffnung, es möge mir gelingen, meine Anwesenheit zu erkennenzu geben. Doch Monsieur de Montcalm, dies bemerkend, flüsterte dem Kutscher einige Worte ins Ohr, welcher sogleich flink auf seinen Sitz stieg und sich anschickte, die Pferde mit der Peitsche anzutreiben, sobald sein Herr und la Condomine den Damen gegenüber Platz genommen hätten, wobei sie den Vorhang heben konnten, ohne daß die Damen meiner gewahr würden.
    In Blitzesschnelle hatte ich meine Entscheidung getroffen. Unbekümmert darum, einem Manne Trotz zu bieten, der mich so erniedrigend behandelt hatte, lief ich um die Kutsche herum, lüpfte an der dortigen Tür den Vorhang, verneigte mich vor Mutter und Tochter und rief, der letzteren ins Auge blickend:
    »Angelina, ich werde Euch immer lieben!«
    Mehr konnte ich nicht sagen, denn schon setzte sich die Kutsche in Bewegung, und Monsieur de Montcalm schrie wie wild den Kutscher an: »Schneller, du Tölpel, schneller!«, indes selbiger mit der Peitsche auf das Vierergespann einschlug. Im Lärm des Peitschenknallens, des Rumpelns der eisenbeschlagenen Kutschräder und des Hufgeklappers, bei welchem ich nicht hören konnte, was Angelina sagte (denn ich sah sie den Mund öffnen), lief ich keuchend neben der Kutsche her. Mit der Linken den Vorhang beiseite haltend und mit der Rechten meinen Degen ziehend, mir mit der flachen Klinge das Pferd eines Geleitknechtes vom Leibe zu halten, empfing ich von meiner Angelina (die Sprache stand uns ja nicht mehr zu Diensten) einen langen Blick ihrer schönen Augen, welche im Halbdunkel der Kutsche, darin sich Vater, Mutter und der Freier schemenhaft wie Gestalten der Finsternis bewegten, in wunderbarem Glanze erstrahlten, und glaubte in diesem Blick eine Bestätigung des gegebenen Versprechens wie auch die Versicherung zu erkennen, der väterlichen Tyrannei widerstehen zu wollen.
    Das Herz wollte mir schier vor Schmerz zerspringen, alle Lebenslust schien aus mir gewichen, und der Hals war mir wie zugeschnürt, als ich, nachdem die Kutsche mit meiner Angelina um die nächste Ecke entschwunden, meinen Degen zurücksteckte, auf mein Pferd stieg und zu meinem Quartier zurückritt, noch ganz außer Atem und schwitzend von dem schnellen Lauf, die Beine zitternd wie nie zuvor, die Brust wie von einer Zentnerlast beschwert, so daß ich kein Sterbenswörtchen hätte sagen können – und was hätte ich auch sagen sollen, da mir inmeiner Verzweiflung die Denkkraft ermangelte, die Welt um mich pechschwarz geworden und mein Dasein des Lichtes beraubt war, das mir in den vergangenen fünf Jahren am Ende meines Weges geleuchtet hatte.
    ›Ach!‹ dachte ich, ›es kann nicht ausbleiben, daß Angelina eines Tages schwach wird und diesen Dümmling heiratet. Ich werde sie nie wiedersehen.‹ Diese Vorstellung war so niederdrückend, daß sie mir das Unglück unvermeidlich erscheinen ließ. Ungeachtet des Volks auf den Straßen, welche ich im traurigen Trott meines Pferdes entlangritt, traten mir unaufhörlich die Tränen aus den Augen, rannen die Wangen herab und tropften schwer auf meine Hände, welche die Zügel hielten oder vielmehr schleifen ließen, so daß meine Pompea nicht gewußt hätte, wohin sie ihren Huf setzen soll, wäre uns nicht Fogacer vorangeritten. Wohin ich auch meinen inneren Blick oder das Auge wendete, überall sah ich durch den Schleier meiner Tränen die Zukunft – ohne Angelina – nur als eine endlose Lebenswüste, unwirtlich, steinig, öd und freudlos. Oh, gewiß! Ich zweifelte nicht daran, daß sie mich noch liebte. Und wie sehr bewunderte ich den Mut,

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