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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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der sie fünf Jahre beflügelt hatte, dem Willen ihres Vaters zu widerstehen. Doch wenn dieser Wille schließlich zu mitleidlosem Zwang verhärtete, dann würde Monsieur de Montcalm, nach allem, was ich gesehen, wohl bis zum Äußersten gehen. Und konnte die Ärmste in ihrer Widersetzlichkeit fortfahren, ohne daß er sie am Ende – wie er so viele Male gedroht – in ein papistisches Kloster steckte und ihr so jede Hoffnung auf Ehe und Mutterschaft nähme, welch letztere im Wesen meiner Angelina so tief verwurzelt war, daß meine Person vergleichsweise wenig zählte? Ich stellte mir die liebreizende Jungfer vergraben in einem Kloster vor, worinnen alles hart und kalt wäre wie die Steine, aus denen es erbaut, dazu die unmenschliche Ordensregel, die unbequeme Zelle, die kärgliche Kost und die tyrannischen Nonnen, und ich sah meine Angelina, schön noch in ihrem düsteren Ordensgewand, langsam dahinsterben. Mußte ich da nicht annehmen – trotz allem Vertrauen in ihr gegebenes Wort und in den letzten Blick, welcher mir ihren Schwur bekräftigte –, daß der Tag käme, da die tägliche Qual ihre Standhaftigkeit schließlich ausgehöhlt hätte und ihr dieser Laffe la Condomine immer noch besser erschiene als jener langsame Tod?
    Wie grausam ist schon die Trennung allein! Doch wie erst soll man sie ertragen, wenn sie endgültig ist? Die Worte »nie mals mehr«, wie kann man sie aussprechen, ohne zu vergehen? Sind sie doch eine Vorwegnahme des Todes, ein Stück Herz, das uns herausgerissen wird, der Verlust von Freude und Wonne, die uns nimmermehr zuteil werden! O Himmel! wie soll, wenn im Hause unserer Freude eine Wand zusammenbricht, nicht das ganze Gebäude einstürzen?
    Angekommen in meinem Quartier, gab ich Miroul die Zügel meines Gaules, nickte dem stummen Fogacer zum Abschied traurig mit dem Kopfe zu und eilte in mein Kämmerlein, darin mich einzuschließen, denn ich wollte nicht, daß mich jemand in meinem Zustand sähe. Meine Tränen waren versiegt, dafür verspürte ich nunmehr einen dumpfen Lebensüberdruß, ein unendliches Grauen vor der Zukunft, eine Verzweiflung, daß ich mich hätte umbringen können, wenn nicht dann und wann ein wilder Groll gegen Herrn von Montcalm mich durchzuckt hätte, daß dieser es gewagt, ein so holdes, aufrichtiges und herzensgutes Wesen, wie es kein zweites auf dem weiten Weltenrund gab, auf solche Art zu behandeln.
    In seinen Briefen an meinen Vater hatte Herr von Montcalm als Grund seiner Ablehnung die Unbemitteltheit eines zweitgeborenen Sohnes angegeben, doch auf die Versicherung hin, welche der Baron von Mespech und Monsieur de Sauveterre ihm gaben, daß dem in zufriedenstellender Weise abgeholfen würde, wenn ich mich in den Stand der Ehe begäbe, hatte Montcalm neues Geschütz aufgefahren oder vielmehr dasjenige enthüllt, welches er bis dahin verborgen gehalten. Er habe sich, so schrieb er, seinem Beichtiger anvertraut, welcher ein unüberwindliches Hindernis für eine solche Verbindung sehe: Wie könne ein Hugenott eine Katholikin heiraten! Wenn Monsieur de Montcalm nicht die Kraft habe, sich einer solchen ehrlosen Heirat, einer solch widernatürlichen, offenkundig vom Teufel ausgehenden Verbindung zu widersetzen, dann wäre es für immer um sein Seelenheil geschehen! …
    Jetzt erkannte ich, zu welcher Niedrigkeit der Glaubenseifer führen konnte, wenn er durch das Dogma der Religion im Herzen eines aufrichtigen Mannes entfacht war. Ein Dummkopf von Priester hatte nur mit der ewigen Verdammnis zu drohen brauchen, und schon riß sich Monsieur de Montcalm in seinerFügsamkeit alle Dankbarkeit aus der Brust, welche er mir dafür schuldete, daß ich ihm in den Wäldern von Barbentane das Leben gerettet, und gleichermaßen alle Höflichkeit, alle Ehre, alle Freundschaft und sogar das einfache, derbe Band, das Männer verbindet, welche die gleichen Gefahren durchgestanden (war ich doch bei der Abwehr jenes Schlages, der ihm das Leben gekostet hätte, schwer verletzt worden). Nun aber hatte ein Priester sein Wort gesprochen, und nichts Menschliches zählte mehr.
    Ich verehrte denselben Christus wie Herr von Montcalm, nur auf andere Weise. Also war ich verderbt, vogelfrei, reif für den Scheiterhaufen! Und wenn seine Tochter so starrköpfig war, mich weiter zu lieben, dann verdiente sie nichts anderes als den Tod im Kloster! Erfüllt von solch tiefer Selbstsucht, deren Wurzeln er nicht einmal erkannte, stellte Monsieur de Montcalm sein eigenes Seelenheil über alles andere,

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