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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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ich sie so voller Mitleid für meinen jämmerlichen Zustand und so voller herzlicher Zuneigung sah.
    Es klopfte wiederum, und Fogacer, gefolgt von Miroul, trat ein. Da er Samson an meiner Brust und Gertrude mir zu Füßen sah, verzog er das Gesicht zu einem vielsagenden Lächeln, setzte sich zu meiner Linken nieder und sprach:
    » Mi fili
, wer nicht leiden will, darf sich nicht binden und muß sich wie vor dem Teufel hüten vor jenem leidenschaftlichen Verlangen nach dem anderen, das man Liebe nennt. So lehren es die Weisen und unsere Kirche. Aber ach! wer die Weiber nicht liebt, liebt die Mannsbilder, und wer weder die einen noch die anderen liebt, liebt nur sich selbst und wiegt jeden Abend krämerhaft seine Sünden und den erwirkten Ablaß gegeneinander auf, sich auszurechnen, ob ihm das Paradies sicher sei.
Mi fili
, habet kein Vertrauen in solch einen Kerl, denn wer allein auf sich bedacht und auf kleinliche Weise so nachsichtig mit sich selbst ist, kann nicht anders als hart zu anderen sein.
Crede mihi experto, Roberto
1 : Es ist besser, zu lieben und das geliebte Wesen zu verlieren, als gar nicht geliebt zu haben.«
    »Oh, Fogacer!« erwiderte ich, »dies ist ein wahrer Spruch. Allein, er schafft mir wenig Trost.«
    »Weil«, fügte Fogacer hinzu, »das Wort ›verlieren‹ darin enthalten, welches die Liebenden verabscheuen. Doch ob für Euch in der Tat alles verloren ist, vermag ich nicht zu sagen. Nach Mirouls Bedünken könnte dem anders sein.«
    »Was, Miroul!« sprach ich lebhaft, den Kopf hebend, »wasmischst du dich hier ein? Und was weißt du, was ich nicht weiß?«
    »Soll ich es Euch sagen, Moussu?« fragte Miroul.
    »Herr im Himmel!« schrie ich. »Was für ein dreister Diener! Er sieht mich im tiefsten Unglück und will mich noch foppen!«
    »Gemach, Moussu!« ließ sich Miroul vernehmen, indes sein braunes Auge schalkhaft blitzte, »ich bin nicht so dreist, daß ich nicht versuchte, mich meinem Herrn dienstfertig zu zeigen. Werdet Ihr mich mit Geduld anhören?«
    »Zum Henker«, schrie ich ergrimmt, »Geduld! Habe ich es jemals an Geduld fehlen lassen?«
    »Aber ja, Moussu, tagtäglich gegenüber Euerm dreisten Diener.«
    »O Miroul!« sprach ich, »wenn es dich verletzt, so nehme ich denn das Wort ›dreist‹ zurück.«
    »Moussu«, entgegnete Miroul halb ernst, halb schelmisch, »habet Dank dafür. Doch nun, ohne länger zu zögern, zu meiner Geschichte. Höret Ihr, Herr?«
    »Mit weitgeöffneten Ohren. Sapperment! soll ich es noch einmal sagen?«
    »Moussu, als ich diesen Haushofmeister mit langem Gesicht zu Euch zurückkommen sah von seinem Herrn, bezweifelte ich gar sehr, daß letzterer Euch mit seiner Jungfer Tochter sprechen lassen würde. Ich vertraute also Euer Roß sowie auch das meine dem Seigneur Fogacer an, ging sodann ganz dreist zum Hause, wo ich mich an den Pfosten der Tür lehnte, durch welche die Bediensteten Bündel und Gepäckstücke zur Kutsche hintrugen, und begann mir mit abwesender Miene die Fingernägel zu schneiden, was die Leute dort mit Staunen betrachteten, welche ich meinerseits mit hochmütigen Blicken bedachte. Schließlich näherte sich hocherhobenen Kopfes der Haushofmeister und sprach zu mir in barschem Ton:
    ›Was treibst du hier, Halunke?‹
    ›Monsieur‹, antwortete ich, meine Nägel bewundernd, ›wenn einer mich das erste Mal einen Halunken nennt, geschieht noch nichts, so gutmütig bin ich von Natur. Doch das zweite Mal fährt mein Degen ganz von allein aus seiner Scheide, und dieser Degen‹, sprach ich nunmehr mit scharfer Stimme, ›dürfte auf Barbentane nicht unbekannt sein, denn er hat zusammen mit dem meines Herrn und den Mönchen derAbtei Euern Herrn und seine Leute vor dem Tode bewahrt. Diese kleine Wohltat ist dem Gedächtnis der Herrschaften wohl entglitten, nach der Art zu urteilen, in der Monsieur de Siorac hier behandelt wird.‹
    ›Monsieur‹, ließ sich da der Haushofmeister zerknirscht und beschämt vernehmen, ›ich tue nur, was mein Herr mir aufgetragen.‹
    ›Ich mutmaße also‹, fuhr ich fort, ›daß mein Herr – nach so kühlem Empfang – die Damen, welche er vor der Entehrung und dem Tode bewahrt hat, nicht zu Gesicht bekommen wird.‹
    ›Das steht zu befürchten, Monsieur‹, erwiderte der Haushofmeister mit betretener Miene und entfernte sich mit einer leichten Verbeugung.
    Ich blieb also Sieger auf dem Platz, denn dieser Bärenhäuter war wohl nicht ganz ohne Gewissen und wollte sich auch nicht mit mir anlegen. Dann

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