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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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und hat nicht Calvin selbst befohlen, daß man den großen Arzt Michel Servet zu Genf auf dem Scheiterhaufen verbrenne? O du Gott der Liebe! Wann endlich wird unter den Menschen, welche sich zu dir bekennen, jene Kette des Hasses abbrechen, der sich immer wieder wechselseitig nährt und die Mordtaten rechtfertigt, die willentlich im Namen deiner Wahrheit begangen werden, welchselbige indes von einer Seele zur andern höchst unterschiedlich ist, so daß der Ketzer auf dem brennenden Scheiterhaufen im Sterben an nichts anderes denkt, als die Ketzerei seiner Folterknechte anzuklagen?
    Zweimal erhob ich mich in jener Nacht von meinem Schemel, den Vorhang am Bett des Admirals zu lüpfen und auf seinen Atem zu lauschen, welcher so ruhig und gleichmäßig ging, als schliefe er in seinem friedlichen Landhaus zu Châtillon-sur-Loing und nicht auf einem Pulverfaß. Hingegen hatte der arme Pastor Merlin, welcher jünger war als der Admiral, einen viel unruhigeren Schlaf, denn sein Atem ging schwer und unregelmäßig. Auch Miroul schlief nicht, sondern hielt die Augen auf mich gerichtet, senkte indes, sobald ich ihn anblickte, die Lider, damit ich nicht sähe, wie sehr er sich um mich sorgte, was mir wiederum tröstlicher war, als ich zu sagen vermag: es ist doch einem jeden höchst angenehm, sich geliebt zu wissen inmitten allgemeiner Verachtung.
    Ich hörte den Ruf des Nachtwächters in der zehnten Stunde, ich hörte ihn in der elften Stunde und auch um Mitternacht, doch dann muß ich eingeschlummert sein, denn auf ein starkes Klopfen an der Haustür fuhr ich aus dem Schlaf und sprang auf die Füße, indes Miroul bereits neben mir stand, die Hand am Griffe seines Degens. Der Haushofmeister La Bonne, dessen Augenlicht nicht mehr das beste war, tastete nach seinen Schlüsseln.
    »Was ist, La Bonne?« fragte Pastor Merlin erschreckt.
    »Cossain begehrt Einlaß«, erwiderte La Bonne mit seiner sanften Stimme.
    »Öffnet ihm nicht, La Bonne!« schrie Merlin und erhob sich aus seinem Lehnstuhl, die Augen vor Entsetzen weit geöffnet.
    »Was gibt es?« ließ sich die Stimme des Admirals hinter dem Bettvorhang vernehmen, welchen Yolet ungesäumt zurückzog, damit sein Herr gehört werden möge.
    In diesem Augenblick ward der Türklopfer von neuem ungestüm betätigt, und die Stimme des Obersten schrie durch die dicken Eichenbohlen:
    »Öffnet, hier ist Cossain!«
    »Öffnet nicht, La Bonne!« rief Merlin, der sich mit zitternden Händen die Ohren verschloß.
    »La Bonne«, sprach da der Admiral, ruhig und gefaßt wie gewöhnlich, »öffnet! Es ist Cossain. Vielleicht ist der König in seinem Schlosse angegriffen worden. Öffnet, La Bonne, und vermeldet mir, was es gibt.«
    Nachdem La Bonne einen Leuchter an der Kerze entzündet, um Licht auf seinem Wege zu haben, folgte ich ihm die Treppe hinab, hinter mir Miroul, Yolet, Cornaton und Muss mit gezogenen Degen, indes sich im Untergeschoß sogleich Fröhlich, Cadieu und die anderen Schweizer mit ihren Partisanen zu uns gesellten. La Bonne zog den unteren und den oberen Türriegel zurück, wonach er unter den vielen Schlüsseln, die er bei sich trug, einige Zeit nach dem rechten suchte, denn er sah schlecht, und auch der Leuchter in seiner Linken behinderte ihn gar sehr. Doch schließlich hatte er den richtigen Schlüssel gefunden, steckte ihn ins Schloß, drehte ihn, klinkte die Tür auf und stand Auge in Auge Cossain gegenüber, welcher ihm ohne ein Wort augenblicks seinen Dolch in die Brust stieß.
    »Ehrloser Bube«, schrie Fröhlich und versetzte dem Meuchler mit seiner Partisane einen wuchtigen Stoß gegen die Brust, welche zwar dessen Harnisch nicht durchdringen konnte, ihn jedoch zurücktaumeln ließ. Worauf Cadieu sich sogleich gegen die Tür warf, sie vor den anstürmenden königlichen Schützen mit letzter Kraft wieder zuschob und sich mit seinem breiten Rücken dagegenstemmte, bis Fröhlich und ein anderer Schweizer eiligst eine schwere eiserne Truhe herangebracht. Wonach Cadieu neben La Bonne zur Erde sank, niedergestreckt von einer Büchsenkugel, die durch das Guckfensterchen abgefeuert worden war und ihn zwischen den Schulterblättern getroffen hatte.
    »Armer Cadieu!« rief Fröhlich, indes Cossains Schützen die Tür bereits mit Äxten bearbeiteten, daß die Eichenbohlen splitterten. Cornaton und Muss schossen die beiden Arkebusen auf sie ab, hatten aber nicht die Zeit zum Nachladen, denn die königlichen Soldaten waren bereits ins Haus eingedrungen.Sogleich entspann sich

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