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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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de Béthisy hinausging. Nachdem er sie kaum zwei Zoll breit geöffnet, sah er und sah ich in geringer Entfernung vor uns, beleuchtet von der Laterne eines Dieners, eine große Zahl von Männern in Wehr und Waffen hinter sich, den Bankert von Angoulême und den Herzog von Guise, welch letzterer den Kopf zum Fenster des Oberstockes wandte und ungeduldig schrie:
    »Ist es getan, Besme?«
    »Es ist getan«, ertönte die Stimme des Landsknechtes, den ich soeben am Werke gesehen.
    »Monsieur d’Angoulême«, hub der Guise wieder an, »glaubt es nicht eher, als bis er die Leiche vor seinen Füßen sieht.«
    Worauf der Söldner, der, wie ich später erfuhr, ein Deutscher aus dem Böhmerland war (aus welchem Grunde er »Besme« gerufen ward), die Leiche des Admirals sogleich aus dem Fenster warf. Da der Kopf Colignys von dem Säbelhieb dieses Besme ganz blutig war, beugte sich der Bankert von Angoulême – um sicher zu sein, ihn wirklich zu erkennen – nieder, wischte ihm das Gesicht mit dem Taschentuch ab und sprach dann:
    »Er ist es ganz ohne jeden Zweifel.«
    Worauf der Bankert sich aufrichtete und, alle Scham und Zurückhaltung vergessend, sich so weit erniedrigte, daß er dem Leichnam mehrere Fußtritte versetzte. Der Herzog legte ihm beschwichtigend die Hand auf den Arm, als wolle er ihm bedeuten, daß eine Beleidigung ohne Wirkung sei, wo sie nicht mehr gefühlt werde; dann wandte er sich, hoch aufgerichtet, als sei dies sein Ruhmestag, den königlichen Gardesoldaten und den Edelleuten seines Hauses zu, welche wartend in einiger Entfernung standen, bewehrt und bewaffnet auch sie, einige mit Fackeln in der Hand, alle mit glänzenden Augen in Erwartung der großen Metzelei, und rief mit lauter Stimme:
    »Meine Freunde, lasset uns nun allerorten das Werk vollenden, das hier so gut begonnen ward!«
    Nach welchen Worten Miroul die Tür lautlos schloß und, nachdem er sie verriegelt, mir ins Ohr sprach:
    »Moussu, es bleibt uns kein anderer Ausgang als die Dachluke. Lasset uns hinaufsteigen und über die Dächer entfliehen.«
    Dies taten wir, und man darf gewiß sein, daß wir wie auf Sammetpfoten an dem Fenster vorbeischlichen, welches in die Kammer des Admirals ging. Freilich war dies verlorene Mühe, denn als ich einen flüchtigen Blick wagte, sah ich drinnen die Soldaten so sehr mit dem Plündern der Truhen und Schränke beschäftigt, daß sie sich in ihrer Räuberei nicht hätten stören lassen, auch wenn eine ganze Herde Pferde wiehernd die Treppe hinaufgestürmt wäre.
    Am oberen Ende der Treppe gab es eine winzige Luke, welche auf das Dach des Hauses führte. Miroul glitt hindurch wie ein Wiesel, ich zwängte mich mit einiger Mühe hinaus und Fröhlich mit so viel Beschwerlichkeit wie ein Kamel durch ein Nadelöhr. Keuchend und stöhnend, seinen massigen Leib dehnend und streckend, schaffte er es schließlich, und wir drei standen auf dem Dach. Uns mit den Händen an dem Türmchen festhaltend, erblickten wir unter uns, in der Rue de Béthisy, im unheimlichen Scheine der Fackeln und Laternen ein dichtes Gewimmel von Harnischen und Hellebarden.
    Im Scheine des Mondes, der hinter einer Wolke hervortrat, gewahrten wir zu unserer Rechten die Türme der Kirche Saint-Germain-l’Auxerrois und dahinter das riesige dunkle Geviert des Louvre-Schlosses, aus dem der Befehl zu unserer Tötung ergangen. Da nun die Nacht sich immer mehr erhellte, denn der Tag war nicht mehr fern, sahen wir wohl, daß wir nicht länger an dieser Stelle verweilen konnten, ohne Gefahr zu laufen, entdeckt und gejagt zu werden, und indes wir uns noch bedachten, wohin wir uns wenden sollten, begann jählings die große Glocke von Saint-Germain-l’Auxerrois zu ertönen, daß die Luft ringsum erzitterte und wir ganz erschrocken waren, denn die dumpfen Schläge schienen direkt in unseren Köpfen ihren Anfang zu nehmen und hallten mit durchdringendem Getön so lange nach, als ob sie niemals enden wollten. In dieses Getön fielen dann fast sogleich alle anderen Kirchenglocken der riesigen Stadt ein, worauf die Türen der Häuser aufflogen und Hunderte und aber Hunderte von Parisern sich in die Straßen ergossen, angetan mit voller Rüstung, Piken und Säbel schwingend, die Fackeln hoch erhoben, um die Kreidezeichen an denTüren, welche die Unterviertelsmeister am Morgen angebracht, besser zu erkennen, indes die Glocken nicht nachließen in ihrem ohrenbetäubenden Geläut, als wollten sie einander ermuntern, die Christen noch lauter zu jener seltsamen

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