Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
sich nun etwas ergötze, ehe man sie niedermachen und in den Seine-Fluß werfen werde.
Das Herz krampfte sich mir vor Mitleid und Schrecken zusammen beim Anblick dieses sich langsam drehenden roten Käfigs – treffliches Zeugnis für den Erfindergeist des Menschen, wenn es gilt, seinen Nächsten zu quälen –, indes ich die Gepeinigten aufmerksam anblickte, fürchtete ich, den Pastor Merlin zu erkennen, doch selbst wenn er unter ihnen gewesen wäre, hätte ich ihn nicht von den anderen unterscheiden können, so sehr waren die Gesichter durch Beulen, Blut und Schmutz verunstaltet und ihre Augen durch die Steinwürfe schon halb ausgelaufen.
»Seht nur«, sprach da mit dümmlichem Grinsen der Kerl, den ich gefragt, »welch widerliche Gesichter diese Ketzerhunde ziehen! An ihren häßlichen Fratzen sieht man gleich, daß es Ausgeburten der Hölle sind!«
Ich wandte mich wortlos ab und machte mich auf die Suche nach Giacomi, Miroul zu meiner Linken und Fröhlich hinter mir, jeder den gezogenen Degen zwischen Arm und Körper gepreßt, um ihn schnell zur Hand zu haben, ohne daß er allzu sichtbar wäre, was vielleicht den Argwohn der geifernden Menge geweckt hätte, darunter sich nicht wenige befanden, deren Arme bis zu den Ellenbogen mit Blut bespritzt waren und die wie berauscht schienen von der Mordlust.
Ich umrundete den Platz nahe den Hausmauern, allwo ich Giacomi, wenn er da wäre, eher zu finden vermeinte als mitten im Monden- und Fackelschein. Auf diesem meinem Wege ward ich nicht weiter behelligt als von einem Gauner, welcher mir beinahe den Beutel abgeschnitten, hätte nicht Mirouls flinkesMesser das seine aufgehalten, so daß der Beutelschneider fast die Finger dabei ließ, behend wie eine Eidechse wieder in der Menge verschwand und ich schon glaubte, geträumt zu haben. Gott sei Dank aber träumte ich nicht, als Giacomi aus einem Hauseingang hervortrat, mich mit seinen langen Armen an die Brust drückte und mir wohl hundert Freudenküsse gab, welche ich ungesäumt erwiderte, indes das Herz mir freudig in der Brust schlug ob der wunderbarlichen Treue, die er uns noch angesichts des drohenden Todes erwies, obgleich er doch als Italiener – und obendrein Papist – nichts mit dem Glaubenszwist in unserem Lande zu schaffen hatte.
»O mein Herr Bruder!« sprach er mit seinem ergötzlichen Lispeln in jener gewählten Sprache, deren er sich selbst im Angesicht der größten Gefahr noch befleißigte. »Ich bin beim ersten Glockenschlag hierhergelaufen und war schon ganz verzweifelt, weil Ihr nicht kamt.«
»Mein Giacomi«, erwiderte ich, »ich werde dir später alles berichten. Doch jetzt komm hinter diese Hausecke hier, damit Miroul dir den weißen Lappen der Meuchler anhefte. Dann werden wir versuchen, zweimal den Seine-Fluß zu überqueren und die Stadtmauern zu erreichen.«
Man hätte nicht zu fragen brauchen, wo sich der Fluß befindet, denn das Volk strömte von allen Seiten dorthin: daselbst nämlich vermeinte ein jeder das schönste Schauspiel zu sehen, weil dort die eingefangenen Hugenotten tot oder lebendig ertränkt wurden; entweder schleifte man sie – wie ich schon vermeldet – nackt und bloß mit um die Brust geschlungenen Stricken durch den Straßenkot dorthin oder trieb sie unter Schlägen zum Ufer, wo man sie niedermetzelte und entkleidete, um sie dann ins Wasser zu werfen.
Vom Grève-Platz bis zu jenem Teil der Seine, welcher der Heuhafen geheißen (dort befindet sich eine Anlegestelle, wo die Boote festmachen, welche das Futter für die hunderttausend Pferde der Hauptstadt heranbringen), war der Boden nur unmerklich abschüssig, doch glitschig, denn es gab kein Pflaster mehr und die Erde war von Blut getränkt, so viele Hugenotten wurden dort an Stricken herangeschleift; solche Behandlung erachteten die Meuchler als besonders unehrenhaft für die armen Toten, ist es doch Brauch in Paris, die Missetäter auf einer Schleife vom Kerker zum Scheiterhaufen zu zerren –daß hier das Wasser an die Stelle des Feuers trat, sollte die Schande noch erhöhen, indem man die Unglücklichen wie junge Hunde ertränkte. Da einige der Unseren, welche nur verletzt waren, stöhnend an der Oberfläche schwammen und um Hilfe schrien, machten etliche Mordbuben die Boote los, fuhren auf den Fluß und schlugen mit den Rudern auf alles ein, was sich noch bewegte.
Es war gar nicht leicht, zum Heuhafen vorzudringen, so viele Männer und Weiber drängten sich dort, welch letztere – zu ihrer Schande sei es gesagt
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