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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Stadttore zu passieren und uns außerhalb der Mauern der Stadt in Sicherheit zu bringen. Oh, Leser, zwei Brücken und ein Stadttor! Bewacht von der Bürgerwache oder den Leibschützen aus dem Louvre! Und um uns herum diese Banden von Meuchlern, davon mich jederzeit einer erkennen konnte! Welch unerhörte Gefahren waren zu bestehen, um aus dieser tödlichen Falle herauszukommen, in der wir mit den Unseren steckten, ohne ein schützendes Haus, uns darinnen zu verbergen, ohne einen Menschen auf der Straße, dem man vertrauen konnte, nicht wissend, wenn ein Hinz oder Kunz die Zähne entblößte, ob er zu einem Lächeln oder zu einem Mordgeschrei ansetzte.
    Um zur Wechsler-Brücke zu gelangen, gingen wir den Quai de la Mégisserie entlang, der von den Parisern auch das Jammertal genannt wird, weil die Seine ihn bei jedem Hochwasser überflutet, und der an jenem Tage diesen Namen mehr denn je verdiente: Hunderte von Toten und Sterbenden sah man im Lichte des Mondes und des beginnenden Morgens auf dem Flusse dahintreiben, auf beiden Ufern tauchte bald hier, bald da der unheimliche Schein der Fackeln auf, die Schreie der Gemetzelten mischten sich mit dem Mordgebrüll der Metzler, dazu wildes Büchsengeknall auf allen Seiten, das dumpfe Krachen der eingeschlagenen Haustüren, das Geläut einer fernen Glocke, welche unversehens wieder zu schlagen begann, als wolle sie das Mordgelüst in ihrem Umkreis immer wieder anstacheln.
    Wir hielten indes in unserem Lauf inne, da wir den Zugang zur Brücke mit Ketten versperrt sahen, hinter welchen ein beträchtlicher Haufe königlicher Wachen, bewaffnet mit Hellebarden und Arkebusen, Aufstellung genommen.
    »Mein Herr Bruder«, sprach Giacomi leise und ergriff meinenArm, »ich vermeine, es wäre töricht, jetzt über die Brücke zu wollen, denn die Wachen würden einen Passierschein von uns fordern, welchen wir nicht vorweisen können.«
    »Ganz zu schweigen davon«, fügte Miroul hinzu, »daß unser Schweizer, welcher sich nicht gerade wie eine Nadel im Heuhaufen ausnimmt, von einem der Wachsoldaten, welcher ihn im Louvre gesehen, als einer von Navarras Leuten erkannt werden könnte. Und wer jetzt mit Navarra in Verbindung gebracht wird, ist dem Tode geweiht, und wir drei mit ihm.«
    »Ich fürchte den Tod nicht«, sagte Fröhlich, »doch ich würde nur höchst ungern die Wache ohne meinen Waffenrock passieren.«
    Worauf Giacomi den Kopf abwandte und lächelte, was auch Miroul tat, so wenig vermochten die beiden ihren heiteren Sinn zu verleugnen.
    »Meine Brüder«, sprach ich da (und Miroul, ob dieser Benennung, errötete vor Freude), »ihr habt beide recht. Zudem dämmert schon der Morgen, und der helle Tag wird unsere Gefahren noch vermehren. Das beste wäre, sich irgendwo verborgen zu halten, bis daß uns wieder die Nacht mit ihrer schützenden Dunkelheit umgibt.«
    »Aber wo?« fragte Miroul.
    »Mein Herr«, erwiderte Fröhlich, »ich habe zweimal eine Botschaft meines Königs (er meinte den König von Navarra, denn der König von Frankreich war ihm fremd) zu Herrn von Taverny gebracht, welcher Richter am Prevotalgericht ist.«
    »Ich weiß nicht, ob das der rechte Ort wäre«, sprach ich, »denn Taverny ist Hugenott.«
    »Wenn er es nicht wäre, dann würde er uns gar nicht öffnen«, ließ sich Miroul vernehmen, »und falls sein Haus nicht schon geplündert ist, wird uns der Herr Richter zumindest etwas zu beißen geben. Oh, Moussu, mit Euerm Verlaub, mir hängt der Magen in den Kniekehlen, so daß ich eine Auster gleich mit der Schale verspeisen könnte, denn die drei Pasteten von gestern sind nur noch Erinnerung.«
    »Ach, Geselle«, fiel da Fröhlich ein, »sprich nicht von Pasteten! Mir läuft das Wasser im Munde zusammen.«
    Lieber Leser, ist es nicht ganz erstaunlich, daß wir alle vier trotz dieser unerhörten Gefahren Hunger verspürten wie ein Rudel Wölfe im Schnee? Das Bestreben, unseren Hunger zustillen, bewog uns schließlich, Unterschlupf im Hause eines Hugenotten zu suchen, obgleich wir auf diese Art von der Pfanne in die Glut fallen mußten.
    »Fröhlich, kannst du uns zu Herrn von Tavernys Haus führen?«
    »Ei gewiß! Es ist das Haus zum Schwarzen Kopf, jenseits der Rue Leuffroy gelegen.«
    Wir machten also kehrt und schritten, die Wechsler-Brücke und unsere Hoffnungen hinter uns lassend, wieder der Stadt zu, höchst betrübt, daß das Ziel unserer wechselvollen Flucht wieder ein Stück weiter in die Ferne rückte.
    Jenseits der Rue Leuffroy führte uns

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