Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
Fröhlich in eine elende Querstraße, welche den Vorzug hatte – obzwar wir darin im Schmutz wateten –, recht verlassen zu sein, denn es kam uns nur ein einzelner Mann entgegen, welcher in seinen Armen ein kleines nacktes Kind trug, das holdselig lächelte und mit seinen Fingerchen in den schwarzen, lockigen Barthaaren des Mannes spielte.
»Gevatter«, sprach ich, gerührt von diesem Anblick, »dieses Kindlein scheint dich zu mögen.«
»Aber ich mag es nicht«, erwiderte der Kerl schroff und blickte mich finster an, »denn es ist ein Ketzerbalg, und ich laufe damit zur Seine, es dort zu ertränken.«
»Was!« rief ich, »es ertränken, wo es in seinem jungen Alter noch nichts versteht und nicht einmal sprechen kann? Was weiß es schon von der Religion!«
»Es ist Ketzerbrut«, entgegnete der Kerl ungehalten. Und zur Rue Leuffroy blickend, durch die gerade eine Bande von Meuchlern zog, fuhr er fort: »Gebt Ihr mir jetzt den Weg frei, Monsieur, oder muß ich erst andere rufen, mir gegen die Ketzer beizustehen?«
»Gevatter«, beruhigte ich ihn, »du irrst. Wir sind gute Katholiken. Und ich begehre das Kind nur, um es einer Anverwandten anzuvertrauen, damit sie es im wahren Glauben erziehe.«
»Solches kann nicht sein«, erwiderte der Kerl unnachgiebig, indes das Kind ihm lachend und brabbelnd mit seinen zarten Fingerchen durch den Bart fuhr. »Wie ich gesagt«, sprach er mit blitzenden Augen, »will ich es töten und in den Fluß werfen. Potz Blitz, mir juckt schon die Hand!«
»Gevatter, ich kaufe es dir ab. Sag deinen Preis.«
»Potz Blitz!« rief der Kerl, abwechselnd auf das Kind und auf meinen Beutel blickend, als schwanke er unschlüssig zwischen zwei gleichermaßen verlockenden Annehmlichkeiten.
»Zehn Dukaten«, sprach ich.
»Topp, der Handel gilt!« erwiderte das bärtige Ungeheuer, doch widerwillig, wie mich deuchte.
Ich zählte ihm die Dukaten auf die Hand, und er ließ einen nach dem anderen in seinem Beutel verschwinden. Doch ehe er mir das Kind reichte, vollführte er seltsamerweise eine Drehung um die eigene Achse, mir dabei kurz den Rücken zuwendend, und warf mir dann seine zarte Beute gleichsam in die Arme. Wonach er sich in schnellem Lauf davonmachte.
»Moussu!« rief Miroul, »er hat es erstochen, während er sich umdrehte. Seht, wie das Blut aus seinem kleinen Herzen strömt!«
»Das Messer, Miroul!« schrie ich, rasend vor Zorn.
Doch Miroul hatte seine Waffe bereits aus dem Beinling gezogen, setzte dem Meuchler nach und warf das Messer, das dem anderen zwischen den Schulterblättern in den Rücken fuhr und ihn sogleich in den Straßenkot niederstreckte, welcher im Grunde weniger widerwärtig war als dieser Kerl.
Indes Miroul sich über den Toten beugte, kam eine Horde Mordbrenner die Straße entlang, und ich rief:
»Miroul, spute dich! Was treibst du dort noch?«
»Ich nehme ihm Eure Dukaten wieder ab, Moussu.«
»Nimm den ganzen Beutel, das geht schneller!«
Was Miroul auch tat und wieder bei uns anlangte noch vor den Mordbrennern, welche, als sie mich blutbefleckt mit dem toten Kind in den Armen sahen, nicht anders dachten, als daß ich der Mörder dieses Ketzerbalges sei, und mir im Vorübergehen einige derbe Scherze zuriefen: die einen lobten mich ob dieser rühmlichen Tat, andere bedauerten mich, daß dabei keine Beute abfiel.
»Mein Bruder, was wollt Ihr jetzt damit beginnen?« fragte Giacomi, da ich mit Tränen in den Augen dastand, das tote Kind in den Armen und das Wams ganz befleckt von Blut.
»Ich werde es in dem Gärtchen dort begraben, damit es die Hunde nicht verschlingen, der Gedanke wäre mir unerträglich. Brich den Zaun nieder, Fröhlich, ich bitte dich!«
Was Fröhlich sogleich tat und dann die Erde mit seiner Partisane aufgrub, um den kleinen Toten zu bestatten, obenauf legte er einen schweren Stein, damit der Leichnam nicht ausgewühlt würde. In dem Hause, davor wir unser trauriges Werk verrichteten, blieb währenddessen alles still und rührte sich auch keiner der geschlossenen Läden, die Bewohner gingen wohl in den Straßen den vermeldten Verrichtungen nach oder lagen schon wieder in tiefem Schlaf, ermüdet von so vielem Morden.
Wir langten zu spät am Haus zum Schwarzen Kopf an: Fenster und Türen waren bereits eingeschlagen, das Dach halb verkohlt, der Hausrat in der Umgebung verstreut, und drinnen auf der Treppe lag der Leichnam Tavernys, den blanken Degen neben sich und um ihn herum drei oder vier Halunken leblos auf dem Boden, ein Zeichen,
Weitere Kostenlose Bücher