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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Goldwert, da sie von meiner verblichenen Mutter stammte und mir soeben das Leben gerettet hatte, nachdem sie mich vor fünf Jahren bei der Michelade zu Nismes fast das Leben gekostet hätte. Doch ist nicht das Leben eines Menschen eine zu ernste Sache, als daß es von einer Medaille abhängen sollte? Herr im Himmel, welch seltsame Macht erlangt am Ende das Götzenbild über den Menschen, das er mit den eigenen Händen geschaffen!
    »Moussu«, sprach da Miroul zu mir, indes wir, in einen Hauseingang geduckt, den tapferen Helden hinterherblickten, die sich zu neuen Ruhmestaten aufmachten – nun, da die Glocken schwiegen, war überall Büchsengeknall zu hören, dumpfe Schläge von Äxten und Rammbalken gegen splitternde Haustüren, hastende Schritte auf dem Straßenpflaster, das Mordgeschrei der beutegierigen Metzler, die Schreckensschreie der in ihren Häusern überraschten Opfer, welche im Hemd zu entkommen suchten, aber eingefangen, mitleidlos erschlagen, entkleidet, verstümmelt und durch den Straßenkot geschleift wurden –, »Moussu«, sprach Miroul also, »Ihr habt Eure Zunge gar trefflich gebraucht, doch mich deucht, Eure Medaille wird uns nicht noch ein zweites Mal die Haut retten. Wir müssen unbedingt so einen weißen Fetzen an den Arm bekommen, und die einzige, die uns dazu verhelfen kann, ist Alizon. Unser Heil liegt allein bei Alizon!«
    »Ach, edler Herr!« ließ sich da Fröhlich vernehmen, »darf ich jetzt meine Stummheit aufgeben?«
    »So sprich, Fröhlich.«
    »Nach meinem Bedünken wäre es eine große Schande, die weiße Binde der Metzler zu tragen!«
    »Ha, Fröhlich!« erwiderte ich, »im Gegenteil! Es ist durchaus berechtigt, mit den Lahmen zu humpeln, wenn es ums Leben geht. Miroul, dein Rat soll befolgt werden. Auf, laßt uns sehen, ob die Predigt ihres Pfaffen das gute Herz Alizons hat völlig verderben können.«
    Doch am Hause Alizons war die Tür versperrt und verriegelt, und obgleich ich den Klopfer zu betätigen wagte, zeigte sich an den Fenstern kein Gesicht.
    »Seht nur, Moussu«, sprach da Miroul, »Alizons Fenster da oben ist offen, und man sieht Kerzenschein. Die Ärmste findet wohl keinen Schlaf in dieser grausamen Nacht. Wenn es Euch beliebt, Moussu, so will ich an der Hauswand zu ihr hochklettern und herausfinden, welch Sinnes sie ist.«
    »Was!« rief Fröhlich, »du bist, wackerer kleiner Geselle, eine Fliege, die an der Wand zu laufen vermag?«
    »Er hat schon ganz andere Kunststücke vollbracht«, sagte ich. »Bück dich und biete ihm deinen breiten Rücken, auf daß er besser an der Auskragung vorbeikomme. Kaum hast du dich dann wieder aufgerichtet, ist er schon oben.«
    Und so geschah es: unglaublich behende erklomm Miroul die Hauswand und glitt mit der mühelosen Anmut einer Katze ohne jede Hast mit sicherer Hand und sicherem Fuß von Vorsprung zu Vorsprung, indes ich ihn im schwachen Mondlicht beobachtete und mir das Herz schlug in der Ungewißheit über den Ausgang seines Botenamtes. Doch meine Besorgnis war umsonst, denn nach kurzem öffnete sich schon die Haustür und meine Alizon fiel mir in die Arme, mich wohl tausendmal herzend und küssend.
    »Wer ist denn der da?« flüsterte sie, als sie den riesenhaften Fröhlich hinter mir gewahrte.
    »Ein wackerer Schweizer aus Bern.«
    »Möge Gott ihn schützen!« erwiderte sie leise. (Welcher Gott? dachte ich: der Gott der Meuchler oder der Gott der Gemeuchelten?) »Gehen wir in meine Kammer hinauf, doch leise wie die Mäuse. Die Männer sind alle aus dem Haus, nicht aber die Weiber, von denen ich nicht gewiß bin, ob sie alle schlafen bei dem lauten Büchsengeknall. Schweizer«, fügte sie hinzu, »die Treppenstufen knarren, setze also deine Füße mit Vorsicht.«
    Was gewiß nicht leicht war, doch nachdem wir die Kammerglücklich erreicht und die Tür geschlossen hatten, ließ Fröhlich seinen schweren Leib schweigend auf einen kleinen Schemel nieder. Miroul und ich setzten uns aufs Bett, und ich erzählte Alizon mit leiser Stimme, was wir von ihr begehrten.
    »Das sind keine Armbinden«, sagte sie, »sondern abgeschnittene Hemdsärmel, die an die Schulter des Wamses genäht werden. Ich habe zwar Nadel und Faden, mein Pierre, aber keine Ärmel, davon drei gebraucht werden.«
    »Vier«, warf Miroul ein, »denn am Grève-Platz wartet Maestro Giacomi auf uns.«
    Seine Worte trieben mir die Schamröte ins Gesicht, denn über meiner Angst und Besorgnis war mir diese Verabredung aus dem Gedächtnis entschwunden.
    »Hier ist

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