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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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– ganz teuflisch schrien und kreischten. Der kalte Schauder packte uns, obgleich uns der Schweiß über den Leib rann, denn die Hitze in jener Augustnacht war schier unerträglich, und da es uns wenig gelüstete, das blutige Schauspiel aus der Nähe zu betrachten, zumal uns die Ohren schmerzten von dem erschrecklichen Geschrei und Geheul der rasenden Menge – man wußte nicht mehr, ob es von Mensch oder Tier kam –, wandten wir uns weiter flußabwärts in der Hoffnung, über eine der beiden noch verbleibenden Brücken zu gelangen, da die Notre-Dame-Brücke, an welcher gebaut ward, gesperrt war. Am Ende des Heuhafen-Dammes war das Ufer grasbewachsen und die Menge weniger dicht, so daß wir schneller vorankamen. Indes wir nun näher am Wasser dahingingen, gewahrten wir am Rande des Flusses, wo die Strömung nicht so stark wie in der Mitte war, eine große Zahl nackter Leichname, fahl vom Mondlicht beschienen und von den Wellen lautlos auf und ab bewegt, welche sich in dem hohen Ufergras verfangen hatten.
    Oh, Leser! so schrecklich dieser Anblick war, einige Schritte weiter sahen wir noch Schlimmeres. Dort stand ein großer Haufen schreiender und gestikulierender Leute, und als wir näher kamen, sprach ich zu Fröhlich, von einer unerklärlichen Vorahnung getrieben, er möge uns einen Weg durch die Menge bahnen, was er auch tat, indem er ganz einfach mit seinem gewöhnlichen Schritt weiterlief, dabei die Leute rechts und links beiseite schiebend, als wären sie Schilfrohr. Ich folgte ihm wie ein Nachen im Schlepptau eines Flußschiffes, hinter mir Giacomi und Miroul in meinem Windschatten. Plötzlich eröffnete sich vor mir ein Halbkreis, von dem etliche königliche Wachen mit quergehaltenen Hellebarden die Menge zurückhielten, während drei der Ihren gerade einen nackten Leichnam ausdem Wasser fischten, welchem der Kopf sowie die Schamteile fehlten.
    Da der Wachsoldat, welcher vor mir stand, trotz seiner kräftigen Arme die allergrößte Mühe hatte, die schreiende Menge mit dem Schaft seiner Waffe zurückzuhalten, hieß ich Fröhlich, ihm etwas behilflich zu sein, was dieser Riesenkerl auch tat, indem er sich mit seinem breiten Rücken gegen die Zwerge hinter ihm stemmte, so daß diese übereinanderpurzelten, einer den anderen mitreißend wie Dominosteine. Der Wachsoldat, entbürdet und erleichtert, mußte darüber lauthals lachen und sprach, nachdem er mir gedankt, zu Fröhlich:
    »Mich deucht, Geselle, ich hätte dein Gesicht und deine Riesengestalt schon im Louvre gesehen.«
    »Gardist«, sprach ich da flugs an seiner Stelle, »mein Diener vermag dir nicht zu antworten, denn er ist stumm. Doch du, der du nicht stumm bist, kannst mir vielleicht sagen, wessen Leiche ihr da mit viel Mühe aus dem Wasser gezogen habt?«
    »Die des Halunken Coligny!« erwiderte der Wachsoldat, und der Pöbel brach bei diesem Namen in ein teuflisches Geheul aus.
    »Und wer hat befohlen«, so fragte ich weiter, obwohl mir die Kehle wie zugeschnürt war, »ihm den Kopf abzuschlagen?«
    »Der Guise, um seinen Kopf dem Papst zu schicken.«
    »Und wer hat ihn so verstümmelt?«
    »Das törichte Volk, das Ihr um Euch seht und das ihn zum Seine-Fluß geschleift hat, um ihn ins Wasser zu werfen.«
    »Und warum hat man ihn wieder herausgezogen?«
    »Der König hat es befohlen. Um ihn in Montfaucon aufhängen zu lassen.«
    »Wie will man ihn denn aufhängen, wenn ihm der Kopf fehlt?«
    »An den Füßen.«
    »Und wir werden dann ein Feuer unter ihm entfachen, ihn zu verbrennen«, schrie da lauthals ein Kerl, der mir seinem groben Gewande nach eine Art Bettelmönch zu sein schien, jedoch von widerwärtiger, blutgieriger Aufführung. »Auf diese Weise haben dann alle vier Elemente Gottes zum Tode dieses Satansbratens beigetragen: die Erde, darüber man ihn geschleift, das Wasser, in das er geworfen ward, die Luft, in der er am Stricke baumeln, und das Feuer, darinnen er braten wird.«
    Welche Worte, so töricht und grausam sie waren, sogleich von der Menge bejubelt wurden; nur der Wachsoldat zuckte die Schultern und sprach ungerührt:
    »Wer tot ist, ist tot. Was zählt da noch, wie er zu Tode kam.«
    Da ich nun genug gehört, wandten wir uns wieder ab von dieser grausamen Menge und setzten unseren Weg zur Wechsler-Brücke fort in der Hoffnung, sie überqueren zu können, in die Cité zu gelangen und von dort über die Sankt-Michaels-Brücke in das Universitätsviertel, um dann schließlich – mit Gottes Hilfe – die Zugbrücke an einem der

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