Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
Kerl, den die anderen »Hauptmann« nannten und der wohl ein Viertels- oder Unterviertelsmeister war; seinem Stande nach war er sicher ein Handwerksmeister, und seinem Willen nach ein Meister im Meucheln und Plündern, welcher jedoch die Beute mehr zu lieben schien als den Kampf. »Gewißlich, du Schurke!« schrie er mit schrecklicher Stimme, dabei wild eine Pistole schwenkend. »Du gehörst zu diesem Ungeziefer, und wir werden dich sogleich zermalmen!«
»Heilige Jungfrau!« rief ich, die Marienmedaille auf meiner Brust ergreifend und an meine Lippen führend, »schütze mich vor diesem unglückseligen Irrtum! Ich bin ein guter Katholik, Gevatter, welcher fleißig die Predigten des lieben Pfarrers Maillot besucht, und ich weiß das Ave Maria wie ein jeder von uns aufzusagen, aber nicht nur vorwärts, sondern auch rückwärts, wie Seine Heiligkeit der Papst es tut!«
»Rückwärts!« rief einer der Lumpenkerle in höchster Verwunderung.
»Laternenträger«, sprach da der Viertelsmeister schroff, »geh und sieh nach, was das für eine Medaille ist!«
»Es ist unzweifelhaft die Heilige Jungfrau Maria«, antwortete der Laternenträger, ohne sich indes zu nahe heranzuwagen. »Und die Medaille ist von Gold, Hauptmann.«
»Von Gold?« wiederholte der Hauptmann mit gierigem Blick und hob seine Pistole, worauf Mirouls Rechte schlangengleich zu seinen Beinlingen glitt, ein Messer zu ergreifen.
»Von Bronze, Gevatter!« erwiderte ich schnell. »Ich bin nicht reich genug, mir Gold leisten zu können.«
»Der sieht mir nach einem adeligen Genfer Geldsack aus, welcher uns mit seiner Lügerei an der Nase herumführen will«,sprach einer der Kerle wichtigtuerisch. »Der stinkt nach Adel! Seht euch sein Wams mit all den Perlen an!«
»Ein Adliger!« erwiderte ich spöttisch (denn ich wußte wohl, wie wenig die Bürger von Paris für Standespersonen übrig hatten), »Gevatter, da tut Ihr mir zuviel der Ehre an! Ich bin wie Ihr von ehrlichem Bürgerstande und betreibe mein Gewerbe als Apotheker zu Montfort-l’Amaury. Dies Wams hier ist ein Beutestück, doch leider nur ein mageres, denn die Perlen sind bloß Lyoner Glas.«
»Schurke, wenn du einer der Unseren sein willst«, fuhr da der Hauptmann fort, »wie kommt es dann, daß du die weiße Binde nicht am Arm trägst?«
»Meine Quartierwirtin hat sie mir so schlecht angenäht, daß ich sie bei der ersten heftigen Bewegung verloren habe.«
»Und wer sind die anderen da?«
»Meine Gehilfen«, erwiderte ich, und um die Kerle etwas zu erheitern, setzte ich hinzu: »Der da (ich wies auf Fröhlich, welcher besser seinen Mund halten sollte, denn wegen seines deutschen Tonfalls hätte man gleich einen Reformierten in ihm vermutet) ist stumm wie ein Fisch. Und der andere hat zwiefarbene Augen.«
»In der Tat, er hat zwiefarbene Augen!« sprach der Laternenträger verwundert.
Und so leicht- und wundergläubig, wie diese Pariser, die alles zu wissen glauben, nun einmal sind, bestaunten sie Mirouls zwiefarbene Augen gar sehr, als wären sie ein Wunder der Heiligen Jungfrau, das in Paris noch niemand kannte.
»Überdies«, setzte ich hinzu, »versteht er das Messer zu werfen wie kein zweiter im ganzen Lande. Wenn es Euch beliebt, Hauptmann, so tretet einen Schritt zurück, und Ihr werdet sehen, wie genau er in den Ring von jenem Türklopfer dort trifft.«
»Laternenträger, beleuchte die Tür!« rief Miroul, und kaum war der Viertelsmeister einen Schritt zurückgetreten, steckte inmitten des Ringes auch schon das Messer im Holz der Tür, das selbiger dicht an seinem Kopf hatte vorbeizischen hören, so daß er nun nicht mehr so sicher schien, uns mit seiner Pistole überlegen zu sein, zumal mein Miroul recht flink das zweite Messer aus dem anderen Beinling zog.
»Laß es gut sein, Gevatter«, sprach da der Viertelsmeistermit plötzlicher Freundlichkeit, »du hast mich überzeugt. Ich bin gewiß, du wirst es zum Fest des heiligen Bartholomäus an frommen Werken nicht fehlen lassen. Doch folge meinem Rat und laß dir ungesäumt eine weiße Armbinde aufnähen. Des Nachts sind alle Katzen grau. Gefährten«, setzte er hinzu, »die Sache hier lohnt nicht. Anderswo gibt es Besseres ohne viel Mühe.«
Und er wandte sich in der Tat zum Gehen, vielleicht in gutem Glauben, vielleicht aber auch, weil es ihn wenig gelüstete, seine verwundbare Haut unter dem harten Harnisch für die magere Beute einiger Glasperlen und einer Medaille zu wagen, welch letztere mir weitaus teurer war als ihr
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