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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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getreue Florine herein, damit wir gemeinsam des letzten Trostes, der uns geblieben, des Gebets, teilhaftig werden.«
    Was ich auch tat, und nachdem meine Gefährten, welche ich Monsieur de la Place vorgestellt (der für einen jeden ein freundliches Wort hatte), vor der Eichenholztäfelung Aufstellung genommen, Florine neben Miroul, weil sie in ihrer Verlassenheit wohl einigen Beistand in ihm suchte, nahm der Hausherr in dem großen Lehnstuhl Platz und las uns mit seiner tiefen, wohltönenden Stimme das erste Kapitel des Buches Hiob. Und der Leser möge mir verzeihen, daß ich in der vorliegendenChronik, die ein eitles, weltliches Werk ist, welches unschuldige Herzen zuweilen empört (so zügellos scheinen die darin beschriebenen Sitten) – daß ich hier die ergreifende Stelle aus der Heiligen Schrift wiedergeben möchte, denn in der schrecklichen Lage, worinnen wir uns befanden, belagert von einem schreienden Haufen aufgebrachten Volkes und seinem Zorn ausgeliefert, hörte sie keiner von uns, ohne Einkehr zu halten und Tränen zu vergießen:
    »Des Tages aber, da seine Söhne und Töchter aßen und tranken Wein in ihres Bruders Hause, des Erstgeborenen, kam eine Bote zu Hiob und sprach: Die Rinder pflügeten, und die Eselinnen gingen neben ihnen an der Weide, da fielen die aus Saba herein und nahmen sie und schlugen die Knaben mit der Schärfe des Schwerts …
    Da der noch redete, kam ein andrer und sprach: Das Feuer Gottes fiel vom Himmel und verbrannte Schafe und Knaben und verzehrte sie …
    Da der noch redete, kam einer und sprach: Die Chaldäer machten drei Rotten und überfielen die Kamele und nahmen sie und schlugen die Knaben mit der Schärfe des Schwerts …
    Und da der noch redete, kam einer und sprach: Deine Söhne und Töchter aßen und tranken im Hause ihres Bruders, des Erstgeborenen, und siehe, da kam ein großer Wind über die Wüste und stieß auf die vier Ecken des Hauses und warf’s auf die Knaben, daß sie starben …
    Da stund Hiob auf und zerriß sein Kleid und raufte sein Haupt und fiel auf die Erde und betete und sprach: Ich bin nacket von meiner Mutter Leibe kommen, nacket werde ich wieder dahinfahren. Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, der Name des Herrn sei gelobt!«
    Indem er hierauf die Bibel zuklappte, rief uns Monsieur de la Place mit ruhiger Stimme und beherrschter Miene ins Gedächtnis, daß die Leiden dem Christen auferlegt werden, damit er seine Glaubensstärke unter Beweis stelle, und daß der Teufel nur so viel Macht besitze, uns zu quälen, wie Gott ihm zugesteht. »Meine Kinder«, so schloß er, »empfehlet mich in Euern Gebeten der Gnade Gottes an, so wie auch ich Euch seiner Gnade anempfehlen werde. Wenn, wie ich befürchte, ein großer Wind über mein Haus herniederfällt und seine Bewohner versprengt, dann betet, dies ist meine Bitte an Euch, betet, aufdaß wir im ewigen Leben wieder vereint sein mögen. Gott ist unsere Hoffnung, er allein!«
    Die Predigt von Monsieur de la Place war länger, als ich hier wiedergegeben, und ich will nicht verhehlen, daß sich am Ende einige Ungeduld in meine Herzensbewegtheit mischte, da ich vermeine, daß Gott mitnichten will, daß seine Geschöpfe sich kampflos ergeben, sondern im Gegenteil mit Klauen und Zähnen um ihr Leben kämpfen, das ER ihnen geschenkt. Schon als ich Herrn von Coligny in den letzten Stunden seines Lebens hörte, schien mir, er erstrebte vielleicht zu sehr den Märtyrertod und neigte mehr dem Erdulden als der mannhaften Tat zu. Mein Wesen ist ganz anders geartet und ähnelt dem eines anderen berühmten Hugenotten, Monsieur de Briquemaut, welcher, obgleich er die Siebzig schon überschritten hatte, seinen Mördern entfloh, sich seiner Kleider entledigte und sich zwischen die auf der Straße hingestreckten Toten legte, hernach im Schutze der Dunkelheit davonschlich und sich in Verkleidung beim Botschafter von England als Stallknecht verbarg. Wenn es auch das Unglück wollte, daß er doch noch ergriffen und gehenkt ward – man muß den Mut und die Tapferkeit loben, mit der er gegen das Schicksal angekämpft.
    Indes ich Monsieur de la Place zuhörte – was ich mit aller Ehrerbietung tat, welche mir sein tiefer Glaube einflößte –, konnte ich mich des Gedankens nicht erwehren, daß ich an seiner Stelle nicht verfehlt hätte, die Geheimtür und die Gäule zu benützen und mein Heil in der Flucht zu suchen, denn ich war weit mehr als er gewillt, mein Leben zu retten, und weniger geneigt, würdig zu

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