Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
mit größter Inständigkeit, »und rettet meinen Ehemann!«
»Dies werde ich tun, Madame«, sagte Charron schließlich, »so Gott will … und vorbehaltlich der Verfügungen des Königs«, fügte er hinzu, weil das finstere Auge des Offiziers der Stadtvogtei nicht von ihm abließ.
Doch ob ihn seine Vorsicht gleich wieder gereute oder ob er wegen der kaum verhüllten Dreistigkeit des Offiziers in Zorn geriet – auf jeden Fall begann er, in der Bücherkammer auf und ab zu gehen, und schien sich zu bedenken.
»Monsieur de la Place«, sprach er schließlich, »möget Ihr belieben, Eure Familie hinauszuschicken. Ich möchte mit Euch allein sprechen.«
Auf diese Worte und ein Zeichen von Monsieur de la Place begaben sich Frau und Kinder in ein Nebengemach, indes der Offizier in der Bücherkammer ausharrte, mit der Rechten auf seine Hellebarde gestützt, die Linke stolz auf dem Knauf seines Pallasch. Er setzte dabei eine eitle, prahlerische Miene auf, daß er nur noch eine dritte Hand hätte besitzen müssen, sich damit den Schnurrbart zu zwirbeln.
»Nun, Offizier, worauf wartest du?« fragte Charron mit einem herrischen Blick.
»Herr Stadtvorsteher«, sagte der Offizier mit spöttischem Respekt, »ich muß wohl oder übel hierbleiben, denn mir obliegt die Bewachung des Gefangenen.«
»Aber ich befehle dir, ungesäumt das Feld zu räumen!« sprach Charron mit Nachdruck.
»Herr Stadtvorsteher«, sagte der Offizier mit einer kleinen Verbeugung, »ich erhalte meine Befehle vom Herrn Stadtvogt im Großen Châtelet.«
»Und hat der dir befohlen«, sprach Charron ergrimmt und mit zornblitzenden Augen, »dem Stadtvorsteher von Paris nachzuspionieren? Du Schnüffelmeister«, donnerte er und ging mit drohend erhobener Pike auf ihn zu, »unten vor dem Haus stehen zwanzig Stadtsoldaten, und wenn du nicht augenblicklich gehorchst, lasse ich dir das Fell gerben wie einem Lausbuben! Hinaus mit dir, und zwar sofort, du Gernegroß!«
Als der Offizier bei diesen Worten noch zögerte, traten die beiden Blauröcke drohend an den Weißberockten heran und wollten ihn die Treppe hinabwerfen, doch er machte geschwind kehrt und verschwand so kleinlaut, wie er vorher großsprecherisch gewesen.
»Ach, Herr Stadtvorsteher!« sprach Monsieur de la Place, »wie dankbar bin ich Euch, daß Ihr diesen ungehobelten Burschen in die Schranken gewiesen, denn seine Weißröcke haben die schlimmsten Untaten in meinem Hause begangen, mein Gesinde verprügelt und mein Hab und Gut geplündert.«
»Was! Auch geplündert haben sie?« Charron runzelte die Stirn. »Dem werde ich einen Riegel vorschieben. Mein Freund«, so fuhr er fort, »ich würde Euch gern in Sicherheit bringen, doch ich darf es nicht tun, denn dann verstieße ich gegen die Befehle des Königs, welcher geboten, daß Ihr in Euerm Haus festgehalten werdet, vielleicht will man Euch über die Gelder der reformiertenKirche befragen. Hingegen kann ich Eurer Familie bei mir im Rathause oder bei Biron im Zeughaus Obhut vor den Übergriffen des Pöbels bieten.«
»Oh, Herr Stadtvorsteher!« sagte Monsieur de la Place und drückte ihm mit großer Herzlichkeit beide Hände, »dafür werde ich Euch noch im Himmel Dank wissen, wenn ich von hienieden scheiden muß. Indes meine Familie unter Euerm Schutze steht, will ich meinerseits allhier auf die Befehle meines Königs warten, ohne mich ihnen durch Flucht zu entziehen, das schwöre ich Euch feierlich.«
Bei dem Wort »schwören« zog Charron die Brauen hoch und schien damit sagen zu wollen, daß er so viel gar nicht verlange; doch nachdem er einen Blick auf seine Blauröcke geworfen, welche einiges Erstaunen über sein gar freundliches Gespräch mit einem stadtbekannten Hugenotten erkennen ließen, zog er es vor zu schweigen. Und als dann die Familie wieder eintrat, drängte er auf einen raschen Abschied, welcher herzzerreißend war, denn die Ärmsten befürchteten das Schlimmste für ihr zurückbleibendes Familienoberhaupt, sosehr Charron sie des Gegenteiles versicherte und ihnen in seinem Mitleid sagte, der König habe befohlen, die Hinrichtungen allerorts einzustellen, was er – wie ich später erfuhr – am Morgen tatsächlich getan, nur war inzwischen leider ein Gegenbefehl aus dem Louvre gekommen.
Ehe Charron aufbrach, befahl er seinen Blauröcken, die vier weißberockten Wachen samt dem Offizier aus dem Hause zu werfen, was mit allerhöchstem Eifer besorgt wurde, so daß es nicht ohne manche Beule und Verwundung abging; ich konnte
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