Die guten Schwestern
dies schon ausreichte, um das Wild aufzuscheuchen. Die Jagdhelfer riefen uns zu, die Kette zu halten. Die Hunde drängten bellend an den langen Leinen voran. Es dauerte auch nicht länger als einen Augenblick, bis der erste Fasan mit schlagenden Flügeln aufflog, gefolgt von Rebhühnern und mehreren bunt gefiederten Fasanenhähnen, und ich sah, noch ehe ich die Schüsse hörte, Fahnen grauen Pulverrauchs aus den Gewehrläufen kommen, als die Jäger fast wie auf Kommando die Doppelflinten gen Himmel richteten, von dem, mitten im Fluge gestoppt, die schönen Vögel heruntertaumelten und dann plötzlich und ohne Vorwarnung wie unbekannte Früchte zu Boden stürzten, während die Federn im Winde flatterten und über unseren Köpfen dahinwehten. Dann erst hörten wir die Schüsse wie Echos von den Rauchfahnen. Zwei Hasen stoben auch vor meinen Füßen auf. Sie liefen im Zickzack vor der Treiberkette her, wir johlten, und der eine raste mit angelegten Löffeln geradewegs auf die Jäger zu, wurde getroffen und rollte über die Erde wie ein Fußball, gegen den jemand getreten hatte. Der andere stoppte mitten im Sprung, drehte sich um sich selbst, entdeckte ein Loch in unserer Kette, schoß blitzschnell hindurch und verschwand in mächtigen Sprüngen über das Feld.
» Kinder, haltet die Kette, zum Teufel!« schrieen die Jagdhelfer wild durcheinander. Das hörte sich schlimmer an, als es war. Als wären sie wütend oder sauer. Aber das waren sie nicht, so redeten sie einfach mit Kindern. Es war noch früh am Morgen, und da das erste Treiben ein gutes Ergebnis gebracht hatte, war auch die Stimmung gut. Die Jagdhelfer sammelten das Wild ein und legten es auf den offenen Wagen, den Niels Ejnar nach jedem Treiben hinter seinem Trecker herzog, während die Jäger auf dem Feldweg gingen, um ihre neue Position zu suchen. Vater ging mit seinen langen Schritten neben dem Grafen und einem Hofbesitzer her, der hin und wieder seine Rechnung bei uns mit einem halben Schwein statt mit Geld bezahlte. Es tröpfelte ein wenig vom grauen Himmel, und einige Männer zogen den Flachmann hervor und nahmen einen Schluck auf dem Weg zur nächsten Stelle, wo sie sich wieder aufstellten und wo sich das Spiel wiederholte.
Beim dritten Mal mußten wir uns hinter einer Art Hecke aus verkrüppelten Weiden aufstellen. Der Bach führte Wasser. Man hatte eine weite Sicht über die ebenen Wiesen bis zum Deich, der zum flachen Belt hinausführte. Wir sollten das Wild am Deich entlang auf die Kette der Jagdhelfer zutreiben, die mittlerweile den Eindruck machten, als freuten sie sich auf die leichte Mahlzeit, die der Graf am Vormittag servieren ließ. Die Mädchen wollten Kaffee, Schnaps und ein paar Butterbrote herausbringen. Wir sollten heiße Würstchen und Limonade bekommen. Die Würstchen schwammen in einem großen Suppentopf, aus dem es dampfte und duftete, wenn die Mädchen den schweren Deckel abhoben. Wir aßen die roten, mit Pergamentpapier umwickelten Würstchen stehend in der freien Natur. Sie schmeckten wunderbar und dufteten leicht nach Essig und Zwiebeln, womit das Kochwasser gewürzt war. Am meisten aber freuten sich die Herren auf das Schüsseltreiben am Mittag, das die Jagd für ein paar Stunden unterbrechen würde. Darauf freuten wir Treiber uns auch. Es würde Brote mit Mettwurst und Leberpastete geben, Preßwurst und Käse und sämtliche Apfelsinen- und Zitronenlimos, die wir uns wünschten. Und es würde angenehm warm sein in der großen Scheune, in der wir Kinder verköstigt wurden, während sich die Herren im gräflichen Rittersaal niederließen. Pflüge, Eggen und andere landwirtschaftliche Maschinen waren nach draußen gebracht worden, damit wir und die Jagdhelfer und Niels Ejnar Platz fanden. Wir spürten es in den Beinen. Das kam vom Marschieren in der nassen Erde, die sich in Klumpen unter unsere Gummistiefel klebte. Aber Fritz war es anzusehen, daß er wegen der Jagd immer noch aufgeregt war. Vielleicht wegen des Blutes von den getöteten Tieren. Er sah nicht aus, als ob es ihm weh täte, daß die schönen Vögel im Flug gestoppt wurden und wie Steine herabfielen, wenn sie in den Schrothagel gerieten. Oder daß die Hasen so jämmerlich über den Boden kullerten, wenn ihr geschmeidiger Lauf mitten im Sprung ein Ende fand. Ja, der Geruch von Blut und Pulver schien ihm gutzutun. Man konnte ihm ansehen, daß er sich auf den Tag freute, an dem er bei den Jägern neben Vater stehen und mit schußbereitem Jagdgewehr zur Treiberkette
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