Die guten Schwestern
hinüberschauen würde.
Der einzige, der etwas die Stimmung verdarb, war Peter, der den Helfern die ganze Zeit Honig um den Bart schmieren und angeben mußte, weil er schon sechzehn Jahre alt war. Sein Vater war Anwalt in der Stadt. Während des Krieges hatte er auf der richtigen Seite gestanden, und Peter prahlte ständig damit, sein Vater hätte Montgomery getroffen und am 4. und 5. Mai einen ganzen Haufen Nazischweine in den Knast gesteckt. Ich wußte nicht, ob es stimmte. Die Leute gaben mit so viel an, was sie angeblich während der Besatzungszeit getan hatten. Demzufolge war das ganze Land im Widerstand gegen die Deutschen vereint gewesen, während doch die Wahrheit war, daß sich die meisten herausgehalten und sich um ihre eigenen Angelegenheiten gekümmert hatten. Oder sogar zusammengearbeitet hatten. Aber wenn Peter oder andere aufschnitten, dann mußte man seinen Mund halten und über etwas anderes reden, obwohl er natürlich keine Lust hatte, mit einer zwölfjährigen Göre zu reden, aber manchmal stand man eben im Schulhof am Rand einer Gruppe und hörte so das eine oder andere. Peters Vater war noch nicht da. Er sollte einen wichtigen Mann aus Odense abholen, der eigens aus Kopenhagen herkam. Das war Peters Art, uns zu erzählen, daß sein Vater ein Privatauto mit schwarzem Kennzeichen fuhr und keines mit gelbem wie unser Vater zum Beispiel. Glücklicherweise stand Peter am anderen Ende der Kette, als die Helfer uns wieder zur Arbeit herbeipfiffen und wir zum nächsten Feldrain gingen, wo die Jäger ungeduldig warteten.
Wieder trieben wir Fasane und Rebhühner auf. Und wir brachten zwei Hasen auf die Läufe, die rannten, was das Zeug hielt. Der eine wurde von Vater geschossen, der andere war klüger und flitzte seitwärts an der Treiberkette entlang und verschwand hinter dem Deich. Einige Jäger hatten anscheinend schon zu tief in ihre Flachmänner geguckt, denn sie fingen an, danebenzuschießen oder die Tiere nur anzuschießen, so daß die Jagdhelfer die Hunde losschicken mußten, damit sie das Wild fanden. Und wieder sprang ein Hase aus seinem Versteck. Ich wußte nicht, wie sie es schafften, sich auf der nackten, abgeernteten Erde zu verstecken. Sie saßen mucksmäuschenstill und waren nicht von der Erde zu unterscheiden, und plötzlich sprangen sie auf und rannten um ihr Leben, erst den Treibern entgegen, dann in entgegengesetzter Richtung. Meist trafen sie die verkehrte Wahl und liefen dem Tod entgegen. Der hier war ein großer Bursche, wahrscheinlich ein Bock, der nicht zum ersten Mal in so einer Situation zu sein schien. Er lief geradewegs auf mich zu, und ich klatschte kräftig in die Hände und schrie. Sein einer Löffel sah aus, als wäre er früher schon einmal angeschossen worden. Er war kleiner als der andere und hing so seltsam, als ob ihn das Gewicht einer alten Schrotladung herabzöge, aber der Kerl hatte starke Beine und ein dickes Fell. Der Hase machte direkt vor mir halt, schaute mich einen Sekundenbruchteil an, so daß ich das brennende Verlangen verspürte, beiseite zu treten und ihn durchschlüpfen zu lassen, dann drehte er sich um und lief, so daß der Wind sein Fell aufbauschte, in langen, eleganten Sprüngen auf die Jäger zu. Natürlich gab es wieder einen, der nicht abwarten konnte, bis ihm der Hase richtig vor die Flinte kam. Ich sah ihn zielen, ich sah den Pulverrauch und hörte dann den zweimaligen Knall aus der doppelläufigen Flinte. Der Hase purzelte um, kam aber wieder auf die Beine. Er konnte nicht mehr richtig laufen. Er zog den einen Vorderlauf nach, der sich rot verfärbt hatte. Er rannte zwischen den Treibern und den Jägern herum. Wir standen so nah dabei, daß keiner zu schießen wagte. Einer der Jagdhelfer hob sein Gewehr, um ihm den Gnadenschuß zu geben, aber ich glaube, er hatte Angst, eine verirrte Schrotkugel könne einen der Herren treffen. Es sah aus, als wollte das angeschossene Tier entwischen. Wir standen ganz still, als hätten wir ein entsprechendes Kommando bekommen, keiner von uns sagte etwas, während wir seinen schlingernden Lauf verfolgten. So viel wußten wir von der Jagd, daß uns unser Verstand sagte, daß er sterben mußte, aber ich hoffte trotzdem und fühlte, daß auch andere in der Kette hofften, daß er weglaufen würde, über den Deich in die Freiheit, dann müßte er nur noch ein Versteck finden und könnte dann dort in Ruhe und Frieden sterben.
Der Helfer, der auf der äußersten Flanke der Treiberkette ging, ließ seinen Hund los.
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