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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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mir nicht gestattet.«
    »Höre ich da ein unausgesprochenes ›leider‹?«
    »Nein. Derartige Methoden wurden von den Systemem gebraucht, denen du gedient hast. Das ist nur einer von vielen Unterschieden. Wer ist die ›Schwester‹, an die du schreibst, Irma?«
    Irma blickte zu Charlotte hinüber, die träge ihre Mappe öffnete, und sagte:
    »Schwester ist Schwester. Es könnte diese Daisy da an der Wand sein. Es sind die Frauen im allgemeinen. Die andere Hälfte der Bevölkerung. Der unterdrückte Teil der Bevölkerung. Nicht wahr? So nannten wir einander in der Frauenbewegung: Schwester. Verstehst du das?«
    Charlotte sagte:
    »Du klingst genauso pathetisch wie meine Mutter. Du sollst mich nicht belehren. Oder mich in deine Ideologie hineinziehen. Du bist es, die 1978 geschrieben hat: ›Dem Arbeiter- und Bauernstaat DDR ist es trotz der Anschläge des Imperialismus gelungen, nicht nur ein industrielles Wunder zu schaffen, sondern auch die Gleichheit der Geschlechter und Klassen herzustellen, die es im spätkapitalistischen Westdeutschland nicht gibt.‹ Wir lassen das jetzt mal so stehen.«
    Irma sagte nichts. Sie wartete, dann fuhr Charlotte fort:
    »Und hier ein anderes Schmankerl aus deiner totalitären Vergangenheit: ›Vielleicht ist ein bewaffneter Kampf wie derjenige der RAF in einem dänischen Kontext nicht unmittelbar zu rechtfertigen, aber es ist nicht die Aufgabe der Neuen Linken, bewußtlos an der Hetze der bürgerlichen Presse gegen den gerechten Kampf der antiimperialistischen Kräfte teilzunehmen, in den diese durch die repressive Toleranz der spätkapitalistischen Gesellschaft getrieben wurden.‹ Herrgott noch mal, wie kann eine wie du Professorin werden und für die kommenden Generationen verantwortlich sein?«
    Irma sagte immer noch nichts. Sie drückte nur ihre Zigarette aus und zündete sich sofort eine neue an.
    Charlotte ging auf und ab und wedelte mit ihren Papieren.
    »Hier gibt es noch eine Unmenge ähnlicher Sottisen. Die reichen bis in deine blühende Jugend zurück. Dein leichter und offenbar unbeschwerter Weg durch die Totalitarismen von den fünfziger bis zu den achtziger Jahren endete glimpflich und war für dich wohl eigentlich die ganze Zeit über ungefährlich, aber dich hat man ja auch nicht beim Wickel gekriegt wie deine deutschen Genossen.«
    »Oder deinen Vater«, sagte Toftlund und bekam endlich eine Reaktion.
    »Laß ihn außen vor«, schrie sie fast, und an ihrem Hals bildeten sich hitzige rote Flecken. »Er ist tot. Er hat mit dem Ganzen nichts zu tun.«
    »Er hat sehr viel mit dem Ganzen zu tun, Irma«, sagte Toftlund. »Er ist dein Schmerz, dein Schicksal und dein Motor, sein Verrat ist die Bürde, die du meinst tragen zu müssen. Weil er dich durch seinen Verrat bestraft hat, hast du gemeint, du müßtest die demokratische Gesellschaft bestrafen, die ihn verfolgt hat.«
    »Warum glauben Bullen nur immer, sie seien Psychologen?« Ihre Stimme war wieder ruhig, aber die roten Flecken breiteten sich nun auf ihrem Hals und bis in den Ausschnitt der Bluse hinein aus.
    »Er war ein Scheißkerl, dein Vater.«
    »Jetzt hörst du auf.«
    »Ein Landesverräter in deutschen Diensten, ein Kriegsverbrecher wie alle anderen dreckigen SS-Schergen, ein Nazi…«
    »Bist du bald fertig?«
    »Ein schlechter Vater, ein schlechter Ehemann, ein Lebenslügner, ein Lügner überhaupt, ein Bigamist. Ein Hurenbock. Deine Schwester ist ein Hurenbalg, die zweite Ehe deiner Mutter ungültig. Und das alles wegen diesem Schwein, das du deinen Vater nennst!«
    Toftlund konnte sich gerade noch ducken, aber es war haarscharf, und nur weil er Irmas Ausbruch erwartet hatte, die den Aschenbecher ergriff und ihn mit einem erstaunlichen Wurf aus dem Handgelenk auf ihn schleuderte. Charlotte Bastrup hatte nicht soviel Glück. Der schwere Aschenbecher flog zwar knapp an ihr vorbei, aber Asche und Kippen trafen sie ins Gesicht und brannten in ihren Augen. Sie fing an zu husten und rieb sich das eine Auge. Irma sprang auf und stieß ihren Stuhl zurück. Toftlund blieb sitzen und ignorierte Charlottes Husten. Irma stand an der hinteren Wand und drückte sich dagegen, als ob sie die Mauer sprengen könnte. Sie hatte die Fäuste geballt, ihr Gesicht war kalkweiß und verzerrt. Sie hatte Mühe zu atmen. Aus dem Augenwinkel sah Toftlund, daß Charlotte weiterhin ihr Auge rieb. Sie sollte lieber damit aufhören, aber das mußte sie selbst wissen. Toftlund behielt Irma im Auge. Der Kassettenrecorder lief ruhig und

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