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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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einen Haufen Zeit ersparen, wenn Sie die restlichen Leerstellen füllen würden. Ich weiß, daß Sie anderer Meinung sind und Ihr Staranwalt auch, aber Fakten sind Fakten.«
    »Sie haben nichts gegen mich in der Hand.«
    »Da Sie nicht vernünftig werden wollen, muß ich Ihnen wohl was zeigen«, fuhr er unbeirrt fort, obwohl er über ihre Bemerkung bezüglich des bescheidenen Gehalts hatte lächeln müssen. Es würde ein langer Nachmittag werden. Sie wußte, daß das Landgericht in spätestens acht Tagen über ihren Fall entscheiden würde. Wenn sie bis dahin kein neues und entscheidendes Indiz beigebracht hätten, würde man sie freilassen müssen. Das hatte ihr Anwalt ihr bestimmt in Aussicht gestellt. Zumindest erzählte er das den Medien. Auch unter den linken Abgeordneten des Folketings, ja, vereinzelt sogar unter den Vertretern der Regierungsparteien, hatten sich Stimmen erhoben, die meinten, die Staatsmacht gehe doch wohl langsam zu weit. Entweder müßten sie ihr Material ausspielen, das sie angeblich in Händen hielten, oder sie müßten die Angeklagte, die nur unter dem Namen Edelweiß bekannt war, freilassen. Der ganze Fall werde langsam peinlich. Aber die Medien kannten die serbische Spur nicht, bei der es um die Einflugrouten der NATO ging. Sie waren der Meinung, es handele sich um mehr als zehn Jahre alte Vergehen zu Zeiten des kalten Krieges, und zwar für ein Land namens DDR, das die meisten Jugendlichen heute eher für einen neuen Fernsehkanal als für einen sozialistischen Staat hielten, der ebenso unvermittelt einging, wie er entstanden war. Die meisten fanden, die Affäre passe nicht ins Bild der heutigen Zeit. Laßt doch den alten Plunder in Frieden ruhen, hatte eine Zeitung geschrieben.
    Toftlund hielt ihr die drei ausgedruckten Fotos von der Großen-Belt-Brücke hin.
    »Ist das Ihr Auto?«
    »Gut möglich«, sagte sie. »Jedenfalls ist es blau und japanisch.«
    »Wissen Sie, wann und wo das Foto aufgenommen wurde?«
    »Nee.«
    »Am Großen Belt am 12. März dieses Jahres, etwa um 13 Uhr.«
    »Wenn Sie es sagen.«
    »Ja, das tue ich. Und Sie sind nicht allein im Wagen, Irma!«
    »Alle Achtung. Das gibt mindestens zehn Jahre Knast. Rechtswidrige Anwesenheit von Beifahrern bei der Überquerung der Großen-Belt-Brücke. Ich dachte, man bezahlt für das Auto und den Fahrer und eventuelle Mitfahrer.«
    »Du bist so was von nervtötend, Irma, weißt du das?«
    »Dann empfinden wir ja die gleichen Gefühle füreinander.«
    »Wer ist der Beifahrer?«
    »Keine Ahnung. Ein Kollege. Ein Anhalter. Das weiß ich wirklich nicht mehr, aber eine innere Stimme sagt mir, daß du darauf schon wieder eine Antwort hast.«
    »Es ist die gute, liebe kleine Schwester!« sagte Toftlund und sah sie an. Er merkte, wie sich Bastrup hinter ihm von der Wand abstieß, um Irmas Gesichtszüge ebenfalls genau beobachten zu können. Sie überraschte sie durch ihr lautes Lachen.
    »Ihr seid so durchschaubar wie ein Kinderbuch, um das ein unheimlicher Wind gemacht wird«, sagte sie, drückte ihre Zigarette aus, zündete sich eine neue an und blies Toftlund den Rauch ins Gesicht, der diesmal instinktiv und wider Willen den grauen, beißenden Qualm wegwedelte.
    »Ich weiß nicht, wer es ist. Ich benutze die Brücke oft. Ich habe einen Bruder und eine Mutter auf der anderen Seite des Großen Belts. Ich weiß nicht, was ihr damit wieder vorhabt, aber ich habe den Eindruck, ihr verhaltet euch langsam ein bißchen desperat. Hab ich recht?«
    Sie sah Toftlund an.
    »Ich habe recht«, sagte sie nur.
    Toftlund beugte sich über den Tisch und blickte ihr tief in die Augen.
    »Du hast der guten Schwester einen langen Brief geschrieben.«
    »Es ist unfein, anderer Leute Briefe oder Tagebücher zu lesen.« Sie rauchte hitzig, aber er sah, daß sie überhaupt nicht überrascht war. Vuldom hatte recht gehabt. Irma hatte es geschrieben, weil sie damit rechnete, daß sie es lasen. Sie hatte eine Spur ausgelegt, aber es konnte ebensogut Fiktion wie Erinnerung sein. Alles, was sie machte, hatte einen manipulatorischen Zweck. Toftlund mußte an die Redewendung denken, daß die Welt der Spione einem Spiegelkabinett gleiche. Er wußte nicht mehr, woher sie stammte. Aber sie bedeutete, daß das, was man sah, nie das war, was der andere zeigte.
    »Ich kann mit dir machen, was ich will. Jeden Baustein deines Lebens auf den Kopf stellen. In deiner Situation gibt es kein Privatleben mehr.«
    »Nähern wir uns jetzt einer peinlichen Befragung?«
    »Die ist

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