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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Autos. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir einen von diesen armen Kerlen umfahren. Sie kommen sogar, wenn wir die großen Laster fahren. Die bereiten den Fahrern wirklich schlaflose Nächte.«
    Durrës tauchte auf. Über hohen Kränen konnten sie das Meer sehen, aber sonst war der Anblick der gleiche. Autowracks, eingesunkene Bunker, verfallene Häuser, unfertige Betonbauten. Alte Häuser, an denen die Farbe abblätterte. Und auf jedem zweiten eine Absurdität der Moderne: Parabolantennen.
    »Auf die Weise können die armen Schweine italienisches Fernsehen gucken«, sagte Poulsen. »Das ist so ungefähr die einzige Unterhaltung, die die meisten Albaner in ihrem Leben haben.«
    Sie kamen an einem Flüchtlingslager vorbei, in dem die olivgrünen Zelte in schnurgeraden Reihen standen. In dem Lager herrschte ein reges Treiben vor allem von Frauen und Kindern. Darüber wehte die italienische Flagge. Das Lager war umzäunt, der Eingang bewacht. Ihm gegenüber lagen etwa fünfhundert Menschen unter großen durchsichtigen Plastikplanen und durchnäßten Decken auf der nackten Erde. Sie warteten darauf, registriert oder in das überfüllte Lager eingelassen zu werden.
    Poulsen erklärte, daß in diesem Lager und all den anderen, viel zu wenigen Lagern Tag für Tag neue Flüchtlinge eintrafen. Die einzigen Gründe, warum nicht mehr Menschen umkämen, seien die enorme Gastfreundschaft der Albaner und der sich ankündigende Frühling. Er mochte gar nicht an die Folgen denken, wenn jetzt Februar wäre.
    »Den NATO-Bomben ein dreifaches Hurra«, sagte Teddy ironisch.
    »Was hätte man denn tun sollen?« sagte Toftlund. »Hätte man vielleicht Milošević seine ethnischen Säuberungen fortsetzen lassen sollen? Bis der letzte Kosovo-Albaner vertrieben oder erschlagen worden wäre?«
    »Jetzt übernimmt das die NATO für ihn. Wie siehst du das, Poulsen?«
    »Daß es meine Aufgabe ist, alle aufzunehmen, egal, warum sie kommen. Meine Prioritätenliste ist sehr einfach und deshalb sehr kompliziert. Sie handelt von menschlichen Grundbedürfnissen. Ich muß den Flüchtlingen Essen und sauberes Wasser geben. Ich muß für Schutz vor der Witterung und für ein Klo sorgen. Ich muß sie ihn Sicherheit bringen und ihnen dann Gewißheit über das Schicksal ihrer engsten Verwandten verschaffen. Alles andere ist Politik, und da mische ich mich nicht ein.«
    »Das ist zu einfach.«
    »Das hält mich vierundzwanzig Stunden auf Trab. Aber gut. Laß es mich so formulieren: Es ist Miloševićs Schuld, aber es liegt in unserer Verantwortung, und deshalb ist es auch unsere Pflicht. Einverstanden?«
    »Das kann ich gern unterschreiben«, sagte Teddy.
    Poulsen manövrierte den Wagen über einige verrostete, verbogene Eisenbahnschwellen hinweg, die wie Panzersperren auf der Fahrbahn lagen. Rechterhand standen noch mehr der überflüssigen Einmannbunker. Zur Linken, hinter großen Speichern unter gelben Kränen, lag die graugrüne Adria. Sie sahen, wie eine Fähre anlegte. Sie öffnete die große Bugklappe, und Militärfahrzeuge rollten an Land. Es waren gepanzerte Mannschaftswagen und selbstfahrende Artillerie. Es sah aus wie der Anfang einer Invasion. Die großen, kräftigen Reifen des Toyotas platschten durch die morastigen Schlaglöcher.
    »Von uns ist gerade ein Konvoi nach Norden unterwegs«, sagte Poulsen. »So daß wir im Hotel ein paar Zimmer frei haben. Andere Zimmer sind nicht aufzutreiben. Ihr müßt also mit denen vorliebnehmen.«
    »Das ist völlig okay«, sagte Toftlund.
    Sie fuhren in die Stadt. Auch hier waren die Häuser verfallen, aber in ihrem Verfall auch sonderbar reizvoll. Wie ein Mensch, der in seiner Jugend sehr schön gewesen ist und dem man die Schönheit durch den Verfall hindurch noch immer ansieht. Es waren viele junge und jüngere Menschen auf den Straßen zu sehen. Erstaunlicherweise trugen sie italienische und französische Designerklamotten, besonders die Mädchen sahen gut aus mit ihren engen Hosen, geschminkten Lippen, langen Wimpern und aufreizenden Blusen. Sie gingen zu zweit, wie bei Freundinnen üblich, und lächelten und winkten mit wiegendem Hintern, wenn sie das weiße UN-Fahrzeug erblickten. Ein offener italienischer Jeep mit vier Soldaten kam dem Toyota entgegen. Drei von ihnen pfiffen und johlten einem besonders hübschen Freundinnenpaar hinterher.
    »Na, na, na«, machte Teddy, »seit ich das letzte Mal hier war, ist ja einiges passiert mit den jungen Damen.«
    Poulsen lachte.
    »Viele sehen wirklich

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