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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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mit ihren albernen Soldatenerinnerungen beschäftigen. Nichts machte erwachsene Männer kindischer als das Geplänkel über die Soldatenzeit, als alles noch männlich und unkompliziert war. Teddy hatte vier Monate in der Zivilverteidigung abgeleistet. Er war noch billig davongekommen, und trotzdem war die Dienstzeit für ihn nur eine lange und langweilige Verschwendung seiner Talente gewesen, in der er Befehle von Leuten entgegennehmen mußte, mit denen er im zivilen Leben nie sprechen geschweige denn auf sie hören würde. Er wartete geduldig, während eine Frau seine zehn Dollar in Empfang nahm und sorgsam seinen Namen aus dem Paß in eine große linierte Kladde übertrug, die Teddy an seine Kindheit erinnerte. In einer solchen Kladde hatte seine Mutter eine Zeitlang über die häuslichen Ausgaben Buch geführt, aber das war so lange her, daß er gar nicht mehr daran denken wollte. Sein Zahnfleisch hatte sich wieder bemerkbar gemacht, und seinem Rücken hatte das lange Sitzen in einem Flugzeug auch nicht gutgetan.
    Und auf der gut zwanzig Kilometer langen Fahrt in Torsten Poulsens großem weißlackierten Toyota Landcruiser zur Hafenstadt Durrës konnte sich der Rücken auch nicht erholen. Der Geländewagen mit Allradantrieb trug das blaue UNO-Abzeichen und den Dannebrog. Auf dem Kühler schaukelte eine lange, kräftige Antenne für die Funkverbindung. Toftlunds Handy war jetzt nur noch ein x-beliebiges Stück Elektronik ohne jede Verbindung zur Außenwelt. Die Straße war schmal, dreckig und mit Schlaglöchern übersät, die mit Schlamm und Wasser gefüllt waren. Überall standen alte, verrostete Autowracks herum, als ob ein Riese mit ihnen gespielt und sie nach einer Weile gelangweilt weggeschmissen hätte. Pferdekarren schlichen die Straße entlang, die von Menschen gesäumt war. Sie verkauften alles von Beeren bis zu Benzin in durchsichtigen Plastikflaschen. An jeder Straßenecke standen rauchende, träge Polizeibeamte. In der Hand hatten sie eine Kelle mit einem grünen Kreis in der Mitte, schienen sich aber nicht weiter in den chaotischen Straßenverkehr einmischen zu wollen. Die Landschaft war mit verblaßten Häusern und kleinen Betonbunkern gesprenkelt, die faulenden Champignons glichen. Sie waren verlassen und versunken, von hier aus hätten die Truppen der Revolution das Vaterland verteidigen sollen, jetzt wuchs Gras und anderes Unkraut aus ihren Rissen und hatte die Stellung übernommen. Einige der Pilzbunker waren umgekippt, und ihre verrosteten Eisenträger ragten wie erstarrtes Gedärm in die graublaue, verdreckte Luft. So hatte die heldenmütige Verteidigung geendet. Der Bankrott des Sozialismus und des rohen Kapitalismus war in Albanien mit Händen zu greifen. An einem braunen, stinkenden Fluß mit niedrigem, modrigem Wasser lag ein ganzer Autofriedhof. Die verschiedenen Grade von Zerstörung, Verwitterung und Rost erinnerten an eine alptraumartige Skulptur oder an eine Szene aus einem Film über die totale Zerstörung der Umwelt durch den Menschen. Kurz hinter dem Flughafen fuhren sie an einer Straßenbrücke vorbei, die im Nirgendwo endete. Sie war in der Mitte zusammengebrochen und glich dem Werk eines Wahnsinnigen: eine Brücke ins Nichts. Poulsen erklärte, daß einer von Hodschas Neffen sie entworfen und konstruiert hatte. Als sie fast fertig war, zeigte sich, daß er vom Brückenkonstruieren absolut nichts verstand. Das erste Auto brachte sie gleich zum Einstürzen. Das war vor fünfzehn Jahren. Seitdem stand sie da. Albanien glich einem großen Schrottplatz oder einer Landschaft aus einem Science-fiction-Film, über die ein Krieg hinweggefegt war.
    Sicher und umsichtig manövrierte Poulsen zwischen Kühen, Pferdewagen, knatternden italienischen Mopeds, Fußgängern und Schlaglöchern hindurch, in denen ein Volkswagen hätte verschwinden können. Die Straße war bestimmt einmal asphaltiert gewesen. Jetzt gab es mehr Löcher als Asphalt. Aber wenn Toftlund etwas nervös machte, dann waren es die vielen zerlumpten Kinder, die barfuß das weiße Auto umschwärmten, sobald Poulsen die Geschwindigkeit herabsetzte. Das mußte er naturgemäß oft, und dann rollte der Toyota nur noch.
    »Das waren die bescheuerten Italiener«, sagte Poulsen und hupte kräftig, weil zwei kleine Jungen mit dreckigen Händen und Gesichtern auf das Trittbrett zu springen versuchten und nach Schokolade schrien. »Als die ersten italienischen Soldaten kamen, warfen sie den Kindern Schokolade zu. Seitdem umringen sie die

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