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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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hinter ihm auf. Und ich habe keine Zeit, hinter dir aufzuräumen.«
    »Das wird nicht nötig sein.«
    »Ich hoffe, du hast recht und genug Geld mit«, sagte Poulsen, stieg aus und ging auf Teddy zu, der, die Füße solide zwischen zwei Pfützen gepflanzt, mit hängenden Schultern dastand. Er rauchte und starrte auf den Matsch, die baufälligen Häuser mit den seltsam deplazierten Parabolantennen und der Wäsche, zwei Jungen, die im Dreck Fußball spielten, und einen kleinen Kiosk, wo ein alter zahnloser Mann tumb lächelte und ihn mit den Händen aufforderte, näher zu treten und sich seine Waren anzusehen. Teddy sah müde aus. Als wäre ihm plötzlich klargeworden, daß er hier war, um mitzuhelfen, seine eigene Schwester vor den Kadi zu zerren. Aber vielleicht war er auch nur erschöpft und empört darüber, daß Europa auch solche Seiten hatte. Oder ihm tat einfach nur der Rücken weh.
    Teddy schaute auf und schmiß die Kippe in die graubraune Pfütze, die von einem feinen Ölfilm überzogen war, der in den Farben des Regenbogens schillerte. Der Himmel verdunkelte sich, große, schwere Tropfen fielen herab, und über der Adria konnten sie den Donner dröhnen hören.
    »Liebst du Albanien nicht einfach?« fragte Teddy und trat noch einmal auf die Kippe.
    »Es ist die Liebe meines Lebens«, sagte Poulsen.

25
     
    N ach ein paar Tagen erhielten sie die Nachricht, daß ein Mann, der respektvoll als Don Alberto bezeichnet wurde, mit ihnen sprechen wolle, weil er Neuigkeiten über eine bestimmte Frau habe. Die Nachricht wurde ihnen von einem kleinen Jungen überbracht, der Toftlund unten an der Strandpromenade von Durrës abgepaßt hatte. Wie viele andere zerlumpte Kerlchen rannte er durch die Gegend und verkaufte Zigaretten ohne Steuerbanderole, aber irgend etwas in seinen Augen hinderte Toftlund daran, ihn einfach wegzujagen. Das Bürschchen starrte ihm geradewegs in die Augen, steckte ihm eine Packung Zigaretten zu und sagte in langsamem Englisch, Don Alberto wolle die dänischen Herren am Abend sehen. In der Zigarettenpackung, die Toftlund gegen einen Zehn-Dollar-Schein eintauschte, befand sich neben einem Dutzend Zigaretten ein Zettel mit dem Namen eines Restaurants und der Zahl 20, hinter der Toftlund die Uhrzeit vermutete. Toftlund kannte das Restaurant, er hatte dort schon einmal zu Mittag gegessen. Es lag ein paar hundert Meter vom Hotel entfernt am Hafen.
    Es wurde auch langsam Zeit. Toftlund und Teddy waren vor lauter Warten drauf und dran, aus der Haut zu fahren, sie stritten wie ein altes Ehepaar, moserten herum oder schwiegen sich brummelnd in ihrem kleinen Hotelzimmer an. Da standen zwei schmale Betten, ein kleiner brauner Sekretär und zwei Stühle, die früher einmal gepolstert gewesen sein mußten. Teddy war nicht mehr ganz so sehr zur Zusammenarbeit bereit. Er schien das Ganze zu bereuen und sich schuldig zu fühlen, daß er der Polizei half, so daß Toftlund den Rüpel raushängen lassen mußte und ihn vor die Wahl stellte: entweder mit ihm zusammenzuarbeiten oder zu erleben, was es hieß, über die Rechte eines Angeklagten belehrt zu werden. Teddy zischte, daß er hier am Arsch der Welt sitze, ohne Schwester, ohne Frau, ohne Geld und vielleicht bald ohne Arbeit, mit Rückenschmerzen und pochendem Zahnfleisch, und daß er um Gottes willen nach Hause wolle.
    »Wer ist denn bitte schön an einem alten Spion aus dem längst vergessenen kalten Krieg interessiert«, hatte Teddy gefaucht. »Die Hälfte der dänischen Chefredakteure, sogar der Fernsehdirektor vom Dänischen Rundfunk, war auf der Parteischule in der DDR, verfluchte Scheiße! So what? Das bedeutet heute absolut nichts mehr. Du jagst Gespenster, Toftlund. Und es ist allen schnurzegal. Du gräbst Skelette aus, und keine Sau ist daran interessiert, daß du sie findest. Laß die Vergangenheit ruhen. Fahr nach Hause und kriege dein Kind. Das hat wenigstens noch ein bißchen Sinn, Mann!«
    Toftlund hatte ihm nichts entgegenzusetzen. Er hatte den Ort genauso satt wie Teddy und vermißte Lise mehr, als er für möglich gehalten hatte. Es war ein vermaledeites Frühjahr gewesen, unwirklich wie der unwirkliche Krieg der NATO und der Neusprech der Politiker, es handele sich um eine humanitäre Aktion. Dabei wurden jeden Tag Menschen getötet, und der Flüchtlingsstrom schwoll immer weiter an, während die grauen, schlanken NATO-Jäger oder die schweren Bomber mit Splitterbomben, Uranprojektilen und lasergelenkten Flugkörpern unterm Himmelsgewölbe

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