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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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militärischen Präsenz. In einer langen Reihe von Heeren waren die Italiener die bislang letzten gewesen; sie hatten Durrës, das sie Durazzo nannten, im April 1939 besetzt und waren auf heftigen Widerstand gestoßen. Toftlund und Teddy gingen an dem Denkmal für diese ersten Märtyrer des nationalen Befreiungskrieges vorbei. Albanien war ein Land, das seine Toten ehrte. Vielleicht, weil es so viele davon gab. Und 1991 war es in die andere Richtung gegangen. Tausende verzweifelter Menschen, die alles verloren hatten, versuchten auf allen möglichen Seelenverkäufern über das Meer nach Italien und in die gelobte EU zu fliehen. Die sorgte mit dafür, daß sie wieder zurückgeschickt wurden und nun blieben, wo sie waren.
    Als sie zur Strandpromenade kamen, dämmerte es. Es lag Regen in der Luft, aber es war erstaunlich mild. Es waren noch Leute auf der Straße, aber bald würden sich alle in ihre eigenen vier Wände zurückziehen und die Nacht den Gangstern überlassen. Zwei italienische Infanteristen aßen in einem Gartenlokal einen Hamburger und tranken ein Löwenbräu dazu. Ihre Sturmgewehre lehnten an dem neuen Holztisch. Von dem offenen Grill duftete es nach gebratenem Fleisch. Zwei französische Legionäre gingen mit ihren automatischen Waffen über der Brust vorüber und grüßten ihre italienischen Verbündeten.
    Toftlund und Teddy gingen am Wasser entlang. Eine Fähre verließ den Hafen und steuerte aufs Meer hinaus. Nur jede zweite Straßenlaterne war erleuchtet, aber hinter den Fenstern der Restaurants saßen immer noch Leute. Ihr Treffpunkt lag weiter oben auf der Promenade, etwas zurückgesetzt. Es war ein neues italienisches Restaurant mit schweren braunen Balken, als hätte der Bauherr versucht, ein Blockhaus aus amerikanischen Pionierzeiten nachzubauen. Das Neonschild war dunkel, aber hinter den rotgetupften Gardinen bemerkte Toftlund ein schwaches Licht. Er bog vom Strand ab, zog seine Pistole heraus, entsicherte sie und steckte sie wieder in das Schulterholster, ohne den Verschluß festzudrücken. Er ließ seine Lederjacke offen.
    »Ich fühl mich hier nicht sehr wohl«, sagte Teddy.
    »Brauchst du auch nicht. Halt dich nur an mich, dann wird’s schon gehen.«
    »Warum kriegst du keine Hilfe von deinen alten Kameraden. Als Leibwächter bin ich nicht sehr begabt.«
    »Die haben ihre eigenen Probleme. Wir haben unsere.«
    »Du hast deine. Ich bin der reinste Amateur. Denk bitte daran!«
    »Betrachte es doch einfach als Abenteuerurlaub«, sagte Toftlund lässiger, als er sich fühlte. Er spürte, wie das Blut das Adrenalin durch seine Adern pumpte, und das war völlig in Ordnung, solange es nicht überhandnahm. Seine Aufmerksamkeit und seine Sinne waren geschärft, und er hörte, sah und roch deutlicher als sonst. Das Geräusch eines Autos in der Ferne, die ewig bellenden, kränklichen Tölen in der Stadt, ein Paar trippelnder Absätze auf den schiefen Steinplatten und den Geruch von fauligem Tang und Öl, der vom Meer heraufstieg. Totenstill lag es im Dunkel der Nacht, die plötzlich gekommen und noch recht mild war, obwohl er wußte, daß die Temperatur jetzt rasch fallen würde.
    Toftlund öffnete die Tür. Teddy stand genau hinter ihm. Auf den ersten Blick sahen sie weder Gäste noch Personal. Der Raum lag im Halbdunkel, nur zwei Tischlampen waren erleuchtet. Sie blieben einen Moment stehen, ehe Toftlund einen Mann bemerkte, der an einem Tisch am hintersten Ende des Restaurants saß. Anscheinend hatte er gerade Pasta gegessen. Vor ihm stand ein Teller mit Fettuccine-Resten, daneben eine Schale mit geriebenem Parmesan und ein halb mit Rotwein gefülltes Glas. Sie erkannten das pockennarbige Gesicht und den langen grauen Pferdeschwanz, der auf die Lederjacke mit den Hippiefransen fiel. Es war der Mann vom Flughafen. An einem Tisch in der Ecke saßen zwei junge Männer mit ausdruckslosen Gesichtern. Sie trugen blaue Jeans und schwarze Lederjacken. Vor ihnen stand jeweils ein Täßchen Espresso.
    »Mr. Toftlund, please sit down with your friend and have some wine«, sagte der Mann vom Flughafen. Er sprach ein verständliches Englisch mit einer leichten Dehnung, die einen amerikanischen Einfluß verriet.
    Sie setzten sich. Toftlund sorgte dafür, daß Teddy sich zu seiner Rechten setzte, zwischen ihn und die Bodyguards. Das könnte ihm die nötigen Sekunden verschaffen, falls es Zoff geben sollte. Das hoffte er natürlich nicht, obwohl er bei dem Gedanken daran heftiges Herzklopfen bekam, aber er

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