Die guten Schwestern
Toftlund aber vermissen ließ.
»Ich danke Ihnen für Ihre Gastfreundschaft, Don Alberto«, sagte Teddy, »aber ganz besonders dafür, daß Sie uns behilflich sein wollen, meine Schwester zu finden.«
»Ihre Schwester! Das ist aber eine Überraschung! Ich dachte, es ginge nur darum, unseren tapferen Verbündeten gegen den Hurensohn Milošević zu helfen, mögen seine Söhne viele Generationen lang impotent bleiben und seine Töchter unfruchtbar. Meine Freude ist groß wie Allah, wenn ich helfen kann, einen Bruder und eine Schwester zusammenzuführen.«
»Können Sie es denn?«
Don Alberto nippte an dem samtigen Wein. Toftlund fand, daß die Stimmung besser geworden war. Er konnte nicht recht erklären, warum, physisch hatte sich nichts geändert, aber die unausgesprochene Aggressivität im Raum hatte etwas nachgelassen.
»Ihre Schwester…«
»Eigentlich meine Halbschwester.«
»Sie haben gemeinsames Blut. Das ist das einzige, was zählt. Ihre Schwester ist eine gefragte Dame, der viele den Hof machen. Der serbische Sicherheitsdienst, möge der Samen dieser gottlosen Barbaren für immer tot sein, will mit ihr sprechen, aber die Hunde haben alle Hände voll zu tun im Kampf gegen unsere tapferen Alliierten, die Allah in seiner Größe beschützen möge, und gegen Albaniens stolze Söhne in der UCK. Allah bewahre sie und mache sie stark und lasse sie den Märtyrertod finden. Ihre Schwester verbirgt sich auch vor gottlosen Albanern, die den heroischen Kampf nicht verstehen, in dem wir alle Opfer bringen müssen, und die mit dem Irrglauben aus Moskau zusammenarbeiten.«
»Was wollen die Serben mit ihr anstellen?« fragte Toftlund und fügte rasch hinzu: »Don Alberto.«
»Verräter müssen sterben. Das ist das Gesetz des Lebens. Sie hat einem Kurier die Unterlagen abgenommen, um sie dem Feind zu übergeben. Russische Unterlagen, die beweisen, daß sie die Radarstation bei Pristina mit ihren Leuten besetzt haben und daß die Russen wie immer mit gespaltener Zunge sprechen. Sie wollte deren Agenten um des schnöden Mammons willen an die NATO, möge Allah unsere tapferen Verbündeten schützen und stärken, verkaufen. Um ihre eigene Haut zu retten.«
»Aber sie ist eher Kroatin?« fragte Teddy.
»Sie war Jugoslawin, damals als der Begriff noch einen Sinn hatte, und in ihrem Herzen ist sie immer noch Titoistin, aber das ist es nicht. Wir kennen Mira Majola. Wir wußten nicht, daß sie einen Bruder oder eine Familie in Dänemark hat, aber wir waren verblüfft, als wir von den dänischen Verbündeten in unserm großen Kampf ihren Namen und ihre Geschichte vorgelegt bekamen. Allah ist unergründlich in seiner Weisheit, aber er, der alles sieht, muß es gewesen sein, der uns zusammengeführt hat. Wir haben mit ihr im kleinen Geschäfte gemacht, aber die Welt hat sich verändert. Ehrlose Männer versuchen auch unsere Welt zu übernehmen. Männer, die die Geschichte und die Loyalität zwischen Familien und Clans nicht kennen, Männer, die es nicht verstehen, guten Wein und schöne Frauen und Absprachen unter Gentlemen zu würdigen, keine Männer von Ehre, wie wir sie von der anderen Seite des Meeres her kennen.«
Wieder hob er die Hände, als verstünden sie dadurch besser, wie ungerecht und unmoralisch die Welt geworden war.
Toftlund schaute Teddy an. Er war bestimmt nicht dumm und erfaßte, was der Albaner, der sich Don Alberto nannte, meinte. Wie schon in Ost- und Mitteleuropa rückte die russische Mafia auch in diesen Breitengraden vor. Die alte italienische Cosa Nostra wurde von den neuen, brutalen und wohlhabenden Kollegen aus dem zusammengebrochenen Imperium hart bedrängt. Mira hatte das Familiensilber geplündert und ihre Kontakte genutzt, um so viel anzuhäufen, daß sie, ehe es zu spät war, den sinkenden Kahn verlassen und den Mann, der sich irgendwo in den weitverzweigten Bürokratien der NATO oder der EU versteckt hielt, mitnehmen konnte. Entweder in den Untergang oder damit sie in einem Land fern von Europa gemeinsam eine neue Existenz gründen konnten.
Don Alberto schenkte Wein nach und zündete sich eine Zigarette an, nachdem er Teddy und Toftlund die rot-weiße Packung hingehalten hatte. Toftlund schüttelte den Kopf, während Teddys Augen aufleuchteten, er ließ sich Feuer geben und trug zur schlechten Luft im Restaurant bei. Daß auch die beiden Leibwächter Feuer für ihre Glimmstengel bekamen, sah Toftlund mit Freude, denn nun waren ihre Hände beschäftigt. Das entspannte die Atmosphäre
Weitere Kostenlose Bücher