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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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rechnete damit, daß es sich hier um ein Geschäft handelte und daß es auch wie ein solches über die Bühne gehen würde. Nicht mehr und nicht weniger.
    Der Mann in der komischen Indianerjacke hob die Hände, so daß die vielen Ringe kurz aufblitzten. Aus dem Halbdunkel der Bar löste sich eine Frau mittleren Alters mit weißer Bluse und schwarzem Rock. Ohne sie anzusehen, stellte sie zwei Weingläser und eine neue Flasche Rotwein auf den Tisch. Seine beringte Hand schenkte die Gläser voll, er hob sein eigenes und nickte ihnen zu. Toftlund und Teddy nickten zurück und tranken. Teddy seufzte genießerisch und drehte mit einem »Erlauben Sie« die Flasche, um auf das Etikett zu schauen.
    »Ein Barolo! Erlauben Sie mir, mich bei Ihnen für diesen erlesenen Wein zu bedanken«, sagte Teddy auf englisch. »In den letzten Tagen habe ich nämlich mit einem meiner fundamentalen Prinzipien brechen müssen. Also, herzlichen Dank.«
    »Und welches Prinzip war das, das Sie hier in Albanien brechen mußten«, fragte der Mann in seinem gedehnten Englisch.
    »Daß das Leben zu kurz ist, um schlechten Wein zu sich zu nehmen. Daß das Leben zu kurz ist, um freiwillig einen weniger guten Cru zu trinken.«
    Die fast schwarzen Augen in dem flachen Gesicht starrten ihn an. Toftlund mußte an den Ausdruck denken, daß die Zeit stillsteht. Das war natürlich Unsinn, aber man empfand es so. Die Zeit schien eingefroren wie ein sibirischer Fluß, als sich der Mund unter den schwarzen Augen plötzlich öffnete und ein hohles, schnarrendes, beinah feminines Gelächter ertönen ließ, ehe er sich zu den beiden Gorillas und vielleicht auch zu der Bedienung umdrehte, die im Halbdunkel der Bar lauerte, um Teddys Bemerkung zu übersetzen und zu erklären. Die beiden Typen lachten wohlwollend, aber ohne besondere Begeisterung, und der Mund in dem vernarbten Gesicht ging zu und wieder auf und sagte:
    »Sehr schön. Das muß ich mir merken. Aber entschuldigen Sie, ich bin ein schlechter Gastgeber. Möchten Sie etwas essen?«
    »Nein danke«, sagte Toftlund. »Wir sind Ihnen sehr verbunden, aber für uns drängt die Zeit ein wenig.«
    »Der Fluch des modernen Menschen, aber ich verstehe Sie, Mr. Toftlund. Ich kenne das auch, glauben Sie mir. In diesen Kriegszeiten Geschäftsmann zu sein ist eine, wie soll ich sagen, echte Herausforderung. Lassen Sie uns statt dessen darauf anstoßen, daß wir unser kleines Geschäft rasch und zur Zufriedenheit aller abschließen können.«
    Der Albaner hob sein Glas, und Teddy und Toftlund taten das gleiche, aber Toftlund hielt plötzlich inne, noch ehe das Glas seine Lippen berührte. Er sah ihm in die schwarzen Augen und sagte:
    »Sie kennen meinen Namen. Darf ich die Ehre haben, auch Ihren zu erfahren?«
    Die schmalen, straffen Lippen erlaubten sich die Andeutung eines Lächelns, ehe sie sagten:
    »Preferisco usare un nome italiano. Chiamami Don Alberto.«
    Toftlund verstand nur Bahnhof, aber zu seiner Überraschung sagte Teddy auf englisch:
    »Der Gentleman zieht es vor, einen italienischen Namen zu benutzen. Nennen Sie mich Don Alberto, hat er gesagt.«
    »Ich wußte gar nicht, daß du Italienisch kannst«, sagte Toftlund auf dänisch, aber Teddy fuhr auf englisch fort:
    »Ich kann nicht viel Italienisch, Don Alberto, aber in meinen jungen Jahren hatte ich mal eine italienische Freundin. Eine schöne und begabte Neapolitanerin.«
    Don Alberto hob die schmalen Hände mit den großen Ringen und den rasselnden Armbändern und lächelte.
    »Sie sind ein Kenner italienischen Weins. Sie sind ein Kenner italienischer Frauen, die Ihnen die Sprache an dem einzigen Ort beigebracht haben, wo es sich lohnt, sie zu lernen, im Bett, bei der Liebe und in den wonnevollen Minuten nach der Umarmung, wenn man sich näher denn je ist, bevor die Langeweile einsetzt. Darf ich also die Ehre haben, Ihren Namen zu erfahren?«
    »Chiamami Teddy.«
    »Teddy?« sagte Don Alberto und ließ sich den merkwürdigen Namen auf der Zunge zergehen. »Es ist mir eine Ehre. Auf den Wein und die Liebe!«
    Sie tranken, und Toftlund ging davon aus, daß der rituelle Tanz jetzt endlich vorbei war und er jetzt die Verhandlungen eröffnen konnte, aber wieder war es Teddy, der die Initiative ergriff und ihn mit seiner Einsicht überraschte. Vielleicht hatte er einfach Angst, daß Toftlund wie ein Elefant im Porzellanladen die männlichen Hormone Oberhand gewinnen ließe, statt sich der Klugheit zu bedienen, die Teddy seinem eigenen Empfinden nach besaß,

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