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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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beiden jüngeren Männer aus dem Restaurant in Durrës wie ein Sportschütze mit leicht gespreizten Beinen und doppeltem Griff um die Pistole und schoß in dem Augenblick, in dem Toftlund ihn erblickte und schrie. Toftlund sah aus dem Augenwinkel, daß er getroffen hatte, ehe er instinktiv seine eigene Pistole hob, den Griff mit zwei Händen umfaßte, zielte und drei schnelle Schüsse abgab. Der erste drang in die Schulter des schwarzhaarigen jungen Mannes und färbte seine weiße Jacke rot. Der zweite traf ihn über dem linken Auge und ließ seinen Kopf in einer Wolke aus Blut und Gehirnmasse explodieren, und der dritte verlor sich über den Zaun in Richtung der Shkodërer Vororte.
    Toftlund sah wie durch einen Tunnel, wie die Frau zu kippen und seitlich wegzugleiten begann und wie Teddy schreiend versuchte, sie festzuhalten, und Toftlund hörte, wie Frauen und Kinder um ihn herum ebenfalls zu schreien anfingen, als er plötzlich einen heftigen Schmerz im linken Arm verspürte und wußte, daß er getroffen worden war. Das Projektil drang geradewegs durch seinen Oberarm, zerfetzte Jacke und Hemdärmel und riß einen großen Teil seines Trizeps mit sich. So einen Schmerz, dachte er, hatte er noch nie zuvor gefühlt, aber der Schock ließ ihn nicht weiter daran denken, er ging in die Hocke, hob den Kopf und ließ den Blick schweifen.
    Wie in einem Nebel, aber auch klar wie von einem Projektor beleuchtet, sah er den zweiten jungen Mann aus dem Restaurant. Er stand vielleicht zwanzig Meter weiter weg und zauderte. Seine Waffe zielte auf Toftlund, aber sein Blick ruhte auf der Frau und Teddy. Er drehte sich zu ihnen um. Die Frau war in den Morast gefallen, und Teddy lag über ihr, hielt ihr Gesicht umklammert und brüllte in seiner unverständlichen Sprache. Toftlund spürte den brennenden Schmerz in seinem Arm und sank fast in den Matsch, stützte sich irgendwie mit der Linken ab, kam auf die Knie und zielte. Es waren Bewegungen wie in Zeitlupe. Er sah, wie der junge Kerl sich wieder zu ihm umdrehte, und er sah die Angst in seinen Augen, als der Junge innerhalb eines Sekundenbruchteils erkannte, daß er sich Toftlund hätte zuwenden müssen. Seine Hände umschlossen den Pistolengriff, und er schaffte es noch, sie zu heben, als Toftlund ihm dreimal in die Brust schoß und sah, wie er nach hinten geschleudert wurde, als hätte ihn ein tollwütiger Stier auf die Hörner genommen.
    Toftlund bekam keine Luft. Es war, als schnürte sich sein Hals zusammen und als wäre sein Mund mit Sand gefüllt. Er konnte einfach nicht atmen, und sein Herz schien ihn totschlagen zu wollen, weil es mit einer Schnelligkeit hämmerte, die sein Körper nicht aushielt. Er kniete, spürte die Galle in seinem Hals aufsteigen und sah alles wie durch einen Nebel, aber aus dem Nebel trat ein grauhaariger Mann mit einem Pferdeschwanz, einer weißen Jacke und Ringen an den Fingern, der ebenfalls eine Pistole in der Hand hielt. Eine altmodische russische Markarow, dachte Toftlund unwillkürlich und versuchte seinen Arm ausführen zu lassen, was die Nervenbahnen ihm befahlen, nämlich den Arm zu heben, zu zielen und auf den Abzug zu drücken. Aber er gehorchte nicht. Toftlund sah nur, wie der Mann, der sich Don Alberto genannt hatte, in seiner schlecht sitzenden, viel zu kleinen Jacke näher trat und die Pistole hob, nachdem er einen gleichgültigen Blick auf die sterbende Mira geworfen hatte, und Toftlund dachte: Tu doch was. Drück doch ab. Drück doch ab, wiederholte er, aber es geschah nichts. Dann wurde Don Albertos Brust zu einem roten Fleck, die weiße Jacke wechselte ihre Farbe, als hätte sie ein wahnsinniger Künstler mit allem beworfen, was ihm zur Verfügung stand. Toftlund meinte, die verformten Projektile aus Don Albertos Brustkasten fallen und in den Matsch plumpsen zu sehen, bevor der alte Gangster mit dem Ausdruck höchster Verwunderung vornüber in den Morast kippte, dessen schwarze Farbe langsam mit Rot angereichert wurde und in ein Braun überging.
    Das letzte, was Toftlund sah, waren die beiden französischen Legionäre mit ihren schußsicheren Westen und den erhobenen Sturmgewehren. Aus dem einen Lauf stieg Pulverdampf auf. Die Gesichter der beiden jungen Soldaten waren so weiß, daß er für einen Augenblick befürchtete, sie seien Gespenster, aber dann mußte er an seine Kindheit denken und an einen Besuch in einer Kalkmine, wo er vor dem gleichen Dunkel Angst hatte, das ihn nun umgab und ihn mit größtem Schrecken erfüllte. Denn

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