Die guten Schwestern
mehr erwähnt, daß er nun doch hinter Toftlund aufräumen mußte, und sie waren nach Hause geflogen, ein endlos langer Bummelflug in einer Herkules der Luftwaffe. Er hatte starke Schmerzen im Arm, aber mehr noch schmerzte ihn, daß Lise mit Wehen ins Krankenhaus gebracht worden war. Man hatte ihn über Satellitentelefon aus Kopenhagen benachrichtigt.
Daran hatte er auf dem ganzen Weg nach Hause denken müssen. Daß er jetzt wieder zu spät kam. Teddy hatte kein Wort gesagt, sondern neben dem anonymen Leichensack gesessen und ihn gestreichelt und vor sich hin gemurmelt, ohne daß Toftlund zunächst ein Wort von dem verstand, was er da vor dem Hintergrund des grummelnden Motorengeräuschs von sich gab. Allmählich wurde es verständlicher. Er teilte Teddys Schmerz. Denn Teddy hatte recht. Sie hatten die albanischen Gangster zu Mira geführt. Die betrogene, wütende Mafia hatte ungefähr gewußt, wo sie sich aufhielt, aber nicht, wie sie aussah. Teddy und Toftlund waren ihnen geradewegs in die Falle getappt und auf ihr Doppelspiel hereingefallen und hatten Don Alberto und seine Killer direkt zu Mira geführt. Die albanischen Gangster hatten Teddy und Toftlund als die naiven Stümper benutzt, die sie in diesem Fall wirklich gewesen sind. Man hatte sie als Köder auserkoren. Und als Köder haben sie dann auch fungiert. Don Alberto hatte ein schönes sizilianisches Spiel gespielt mit ehrenhaften Vereinbarungen und Kontakten zur klassischen Cosa Nostra, und dann war er bloß der gekaufte Handlanger und bezahlte Henker der modernen, brutalen Russenmafia gewesen. Für Toftlund war es kein angenehmes Gefühl zu wissen, daß er betrogen und hereingelegt worden war und daß er nicht einmal den blassesten Schimmer gehabt hatte, in welche Falle er da getappt war. Es half nicht einmal, daß er zwei von ihnen persönlich ins Grab gebracht hatte. So war er dann doch nicht beschaffen, daß er töten konnte, ohne daß es ihm weh tat und sich verkehrt anfühlte. Es war in vielerlei Hinsicht eine lange Reise gewesen, und ständig hatte er Lise vor Augen gehabt, ein Bild, das sich mit dem Miras vermischte, die langsam in den Matsch rutschte und dann ihre letzten verzweifelten, gurgelnden Atemzüge tat.
Toftlund kam wieder zu sich, als er plötzlich Vuldoms Chefstimme vernahm.
»Sie ist schuldig! Verdammt noch mal schuldig!«
»Ja, aber Sie können ihren Zugriff auf Geheimnisse nicht beweisen. Nicht ohne, wie soll man sagen, den anderen, der ja leider immer noch ein Mysterium ist«, sagte der Justizminister. »Das ist schon eine verworrene Geschichte.«
»Das heißt, sie kommt davon.«
Es war eine Feststellung, und das verstand der Minister. Er beugte sich über den Tisch und sagte:
»Was das Gefängnis angeht, ja.«
»Was soll das heißen?«
»Sie ist durch das Namensverbot geschützt, aber wir haben es der Presse schon gesteckt, daß die Verhandlung morgen stattfindet. Die stehen mit Kameras und Mikros auf der Matte, wenn sie freigelassen wird.«
»Die Medien dürfen ihren Namen immer noch nicht nennen«, sagte Vuldom.
»Nein, aber sie darf sich gerne äußern, und ich glaube, das wird sie tun.«
»Und dann?«
»Dann werden sowohl ich als auch der Oberstaatsanwalt der Bevölkerung mit deutlichen Worten und ohne Zweifel aufkommen zu lassen mitteilen, daß wir Edelweiß verdammt noch mal als schuldig ansehen. Daß der Fall allerdings verjährt ist, also auch kein Urteil nach sich ziehen kann. Ich gebe morgen eine Pressekonferenz. Der Oberstaatsanwalt steht für Kommentare gerne zur Verfügung.«
Vuldom drückte ihre Zigarette aus und lächelte.
»Ein öffentliches Urteil. Damit muß sie sich dann den Rest ihres Lebens herumschlagen.«
»Die Medien sind die moderne Version des mittelalterlichen Prangers«, sagte der Justizminister zufrieden. »Um alles übrige muß sich die Kommission kümmern, die den kalten Krieg untersucht, falls die überhaupt mal irgendwas Vernünftiges zustande bringt.«
»Was Sie bezweifeln?«
»Irgendwas wird schon dabei herauskommen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es ein Problem des Außenpolitischen Instituts, aber ich bin der Auffassung, daß es die Generation unserer Kinder sein wird, die die Wahrheit herausfinden wird über die, die im kalten Krieg die falsche Wahl getroffen haben, genauso wie es eine Nachkriegsgeneration war, die nach und nach die dunklen Seiten der Geschichte der Besatzungszeit beleuchtet hat. Jedes Land braucht ein paar anständige Mythen über die Zeit, in der seine
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