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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Gegensprechanlage. Per rümpfte die Nase, als er den scharfen Zigarettenrauch einatmete. Es war ihm nicht ganz gelungen, Lise zum Aufhören zu bewegen, obwohl sie schwanger war, aber immerhin hatte sie ihren Verbrauch kräftig reduziert, so daß sie beinahe nur noch in Gesellschaft rauchte, im übrigen hatte sie neulich verkündet, daß mit dem Gequalme nun ganz Schluß sein solle. Jette Vuldom rauchte in ihrem Königreich, wie es ihr paßte. Sie war Anfang Fünfzig, hatte ein schmales, hübsches Gesicht und scharfe, intelligente Augen. Das Haar war kurz und erhob sich über der geraden Stirn. Sie trug ein diskretes Make-up, passend zu einem unauffälligen Rock, einer Bluse und einer fast männlichen Jacke. Alles in allem machte sie den Eindruck einer selbständigen Frau, die Feminität und Effektivität zugleich ausstrahlte. Lise hatte sie ein Rollenmodell für Frauen genannt. Eine, die ihre Weiblichkeit bewahrte und sich gleichzeitig ein berufliches Leben in einer Welt schuf, in der die Männer nach wie vor die Chefs waren und die Frauen den Kaffee kochten. Das hatte Lise gefallen. Lise sah überall Ungerechtigkeiten. Per dachte selten abstrakt über das Dasein nach. Er ging eine Aufgabe lieber direkt an und löste sie. Aber er merkte, daß Lise ihn beeinflußte, obwohl sie es sehr diskret machte, weil sie seine jütische Dickköpfigkeit durchschaute. Ihm hatte keiner was zu erzählen! Aber er las jetzt auch andere Bücher. Und er war mit Meinungen oder Überzeugungen in bezug auf Dinge, von denen er in Wirklichkeit keine Ahnung hatte, nicht mehr so schnell bei der Hand.
    »Tag, Per«, sagte Jette Vuldom mit ihrer nikotinheiseren, tiefen Stimme. »Setz dich und nimm dir eine Tasse Kaffee. Haben uns lange nicht mehr gesehen.«
    Per setzte sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. Vuldom schenkte ihm eine Tasse Kaffee ein.
    »Du wirst Vater, habe ich gehört«, sagte sie dabei. »Ich muß schon sagen.«
    »Du könntest auch herzlichen Glückwunsch sagen«, sagte Per.
    Vuldom lächelte.
    »Herzlichen Glückwunsch. Das hätte ich nur nicht von dir erwartet.«
    »Warum nicht?«
    Sie zuckte mit den Schultern und nippte wohlerzogen am Kaffee.
    »Ach. Ich weiß nicht. Einsamer Wolf und solche Sachen. Wie läuft’s im Präsidium?« Sie machte eine Kopfbewegung in eine diffuse Richtung, als könnten sie bis in die Innenstadt von Kopenhagen schauen, wo das Polizeipräsidium in der Nähe des Hafens lag, in dem Toftlund die letzten Jahre gearbeitet hatte, überwiegend für die Flughafenpolizei in Kastrup, die den meisten Menschen als Paßpolizei geläufig war. Es war eine langweilige und oft erschütternde Arbeit, wenn man Menschen auf der Flucht abweisen mußte und sie wie kleine verzagte Puppen vor der Paßkontrolle hocken sah. Oder wenn man schon am Flugzeug stand und ihnen den Ausstieg verbot. Oder einfach stundenlang dasaß und braungebrannte, angetrunkene Charterreisende hereinließ, die sich in ärmlichem Vokabular über das Wetter im Süden und hier zu Hause ausließen.
    »Es ist ein Job«, sagte Per Toftlund.
    »Ein wichtiger Job. Wichtig, ganz sicher. Aber höre ich da ein kleines bißchen Unzufriedenheit heraus?«
    »Hör mal auf mit dem Theater, Jette«, sagte er und wurde ein wenig lauter. »Ich wurde dorthin versetzt. Alles in allem war das ja nicht das schlechteste. Aber ich hab mich auch nicht um den Job beworben, oder?«
    »Gemach, gemach!« sagte sie mit einem Lächeln. »Du hast den schwarzen Peter gekriegt, Per. So war’s eben. Besonders geschickt hast du dich ja auch nicht angestellt, also die Versetzung war doch relativ fair…«
    »Und die Politiker? Was ist mit denen?«
    »Das ist eine andere Sache. Darüber dürfen wir uns als Beamte nicht die loyalen Köpfe zerbrechen«, sagte Vuldom und beugte sich ein wenig über den Tisch. »Das ist Geschichte, das überlassen wir den Historikern. Wir kümmern uns um den aktuellen Müll. Der manchmal auch Geschichte sein kann. Eine Mischung. Wo das Aktuelle plötzlich eine ganz neue Bedeutung bekommt. Wo die Vergangenheit, von der alle dachten, sie sei begraben, vergessen, makuliert, wieder auftaucht und durch diese Zufälle, die der Kern jeder nachrichtendienstlichen Arbeit sind, neue Bedeutungen gewinnt.«
    Toftlund lächelte und sagte:
    »Na was ist, Jette Vuldom. Willst du mich verführen?«
    Vuldom mußte auch lächeln, aber ihre Augen waren, wie er sie kannte: kühl und analytisch.
    »Möchtest du gern?«
    »Hätte nichts dagegen.«
    »Dacht ich’s mir

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