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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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beauftragst Charlotte Bastrup damit, sie auf den neuesten Stand zu bringen«, sagte Vuldom und setzte ihren Vortrag über die Hintergründe seines neuen Falls in seinem neuen, alten Job fort.
    »Das eine oder andere kennst du ja noch aus alten Tagen, aber hier bekommst du noch ein Resümee der letzten Monate. Wie du weißt, gelang es unserm alten Freund Markus Wolf und seinen Handlangern einen großen Teil des Archivmaterials zu vernichten, das sich vor dem Fall der Mauer im Besitz der Auslandsspionage HVA befand. Immerhin fielen uns die SIRA-Bänder mit den Namen von Hunderten von Agenten in die Hände. Aber eben nur unter ihren Decknamen. In den Tagen des Zusammenbruchs herrschte ein Riesenchaos in der DDR, so daß sich unsere lieben Alliierten der CIA die sogenannten Rosenholz-Dateien unter den Nagel rissen, in denen sich der Schlüssel zu den Decknamen findet. Jetzt, über zehn Jahre später, ist es endlich gelungen, Teile der beiden Archive zusammenzulegen, und das hat sich gelohnt, Toftlund. Endlich haben wir den Schlüssel zu dem geheimen Schloß. Vor gerade mal zwei Wochen haben wir die ersten Decknamen dechiffriert. Und den letzten vor ein paar Tagen.«
    Vuldom steckte sich noch eine Zigarette an und deutete auf die Kaffeekanne. Toftlund schenkte ihnen beiden ein und ließ sie weiterreden, ohne sie zu unterbrechen.
    »Schließlich gaben uns die Politiker dann doch grünes Licht und die nötigen Mittel, um nachzuforschen, welche netten Dänen und Däninnen sich aus Idealismus, Geldgier, Unwissenheit, ideologischer Verblendung, Naivität oder einer Mischung aus alldem von der Stasi anwerben ließen. Das dauerte auch nur zehn Jahre. Und was kam dabei heraus? Die meisten Fälle fielen unter die Verjährungsfrist. Was in diesem bequemen Land wahrscheinlich das Bequemste ist, wo wir ja noch nie Lust gehabt haben, der Vergangenheit ehrlich in die Augen zu blicken. Aber besser spät als nie. Unbezahlte Rechnungen und alte Schulden kann ich nicht leiden. Ich habe Leute nach Berlin geschickt, und die waren gute Maulwürfe und haben in den Mammutarchiven der Stasi gegraben und Gold und Dreck zutage gefördert. Ich will dich damit nicht weiter langweilen. Aber wir haben an die fünfzig Decknamen, die wir uns näher angeschaut haben. Nicht zuletzt deshalb hat man dich wieder in den Stall zurückgeholt. Die Themen und Daten ihrer Berichte an die Stasi waren auf den SIRA-Bändern gespeichert. Als der Kode endlich geknackt war, konnte man die eigentlichen Berichte in den Archiven finden. Aber nur die Decknamen. Es ist und war eine mühevolle Arbeit. Die Presse ist an der Sache interessiert und damit auch die Politik. Unsere Zeit ist also begrenzt. Aber eine, die wir fanden, war eine emsige kleine Biene, die Edelweiß hieß.«
    Toftlund lächelte breit über Vuldoms zweifelhafte Metapher.
    »Das ist doch mal ein schöner Kodename.«
    »Bei all den Agenten und Informanten, die die Stasi beschäftigte, sollte man annehmen, daß sie eine ganze Abteilung hatte, die nichts anderes tat, als Decknamen zu erfinden. Aber weiter im Text. In der Mappe sind Kopien.« Sie öffnete sie wieder und reichte ihm eine Liste. »Dies sind nur die Titel der mehr als achtzig Berichte von 1971 bis zum Fall der Mauer, mit denen das kleine Blümchen sein Land verraten hat. Wenn das tatsächlich stimmt, gibt es keine Verjährungsfrist. Dann gehen wir mit einem Fall schweren Landesverrats zum Staatsanwalt, wenn wir unsere Untersuchungen abgeschlossen haben. Schau dir das mal kurz an.«
    Vuldom lehnte sich mit ihrer Tasse Kaffee in ihrem Schreibtischsessel zurück und betrachtete Toftlund, der die lange Liste der Berichte überflog, die ein dänischer Agent namens Edelweiß fast zwanzig Jahre lang in das Ministerium für Staatssicherheit in Ostberlin geschickt hatte. Damals war die Stadt in Ost und West geteilt gewesen, sie hatte die Frontlinie des andauernden, heimlichen Kriegs zweier Systeme gebildet. Eines brutalen Kriegs an einer unsichtbaren Front, in dem das Leben der Einsatz sein konnte und der nur einen Ausgang haben konnte: daß eines der beiden Systeme schließlich zusammenbrach, weil sie in ihrem Wesen, ihrer Natur und ihrer Struktur unvereinbar waren. Auf die Dauer konnten Diktatur und Demokratie nicht Seite an Seite leben, wenn es das Ziel der Diktatur war, die Demokratie ins Grab zu bringen.
    Edelweiß hatte mit Informationen aus dem dänischen Außenministerium angefangen. Es schien sich um Kopien vertraulicher Berichte aus dänischen

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