Die guten Schwestern
getrunken und außerdem reichlich gegessen. Eigentlich mußte das meiste verdampft sein, oder?
Ich fuhr auf die Niedrigbrücke, dann auf die eigentliche hohe Brücke und durch die Mautstelle. Dort mußten sie mich entdeckt haben. Man fährt ja nicht hindurch, ohne auf Video aufgenommen zu werden, außerdem ist es eine günstige Stelle, um die Nummernschilder zu überwachen, besonders an einem Werktag, an dem der Verkehr insgesamt überschaubar ist.
Kurz vor Slagelse winkte mich der Streifenwagen an den Straßenrand. Der Beamte kam zu mir, und ich kurbelte das Fenster hinunter. Wieviel hatte ich eigentlich getrunken? Er grüßte artig mit der Hand an der Mütze und bat um meine Fahrerlaubnis.
»Haben Sie Alkohol getrunken, mein Herr?«
»Ein Bier und einen Schnaps zum Mittag«, sagte ich.
»Das ist hart an der Grenze«, sagte er und schnüffelte ein wenig.
Die Autos sausten vorbei, und die Leute warfen mir entweder teilnahmsvolle oder schadenfrohe Blicke zu. Er behielt meinen Führerschein in der Hand und sagte dann:
»Ein paar Kilometer weiter liegt ein Rastplatz. Fahren Sie ganz ruhig dorthin und parken Sie dort.«
»Warum denn das?« fragte ich.
»Weil ich es sage«, antwortete er und ging mit meinem Führerschein zu seinem Kollegen im Streifenwagen. Dagegen war im Augenblick nichts zu machen, und Teddy rollte mit vorschriftsmäßigen 110 km/h und dem Streifenwagen im Rückspiegel zu dem kleinen Rastplatz, auf dem ein Toilettenhäuschen, ein Lastwagen und ein blauer Ford Escort standen. Der Streifenwagen fuhr an mir vorbei und hielt hinter dem blauen Ford. Ich blieb im Wagen sitzen und versuchte, meinen Schnaps- und Bierverbrauch ins Verhältnis zur seitdem vergangenen Zeit zu setzen. Es sah nicht allzugut aus. Ich hatte keinen übermäßigen Alkoholgehalt im Blut, aber sicher mehr als die 0,5 Promille, die erlaubt waren. Der eine Polizist stieg aus dem Streifenwagen, ging zu dem blauen Ford und überreichte einem Mann in einer dunklen, abgewetzten Lederjacke meinen Führerschein. Dann grüßte er und ging zu meiner Überraschung zu seinem Wagen zurück, setzte sich neben seinen Kollegen, und sie fuhren los.
Der Mann in der dunklen Lederjacke stieg aus. Neben ihm saß eine Frau. Er kam zu mir. Jetzt erkannte ich ihn. Es war der jüngere der beiden Kripobeamten, die mich in meiner Wohnung verhört hatten. Wie hieß er noch mal?
»Guten Tag, Teddy«, sagte er.
»Guten Tag, wie war doch gleich der Name?«
»Per Toftlund. Polizeilicher Nachrichtendienst.«
»Ach ja, richtig. Guten Tag, Per Toftlund. Was kann ich für den PND tun. Denn es geht ja wohl um meine Schwester?«
»Vielleicht. Vorläufig kannst du dich in meinen Wagen setzen, meine Kollegin fährt dann deinen nach Kopenhagen. Wir haben eine ganze Menge zu besprechen.«
»Und wenn ich nicht will?«
»Dann bläst du ins Röhrchen, und dann bist du mit ziemlicher Sicherheit deine Pappe los, Teddy. Du riechst wie ‘ne ganze Pinte, mein Freund.«
»Ja, es gibt so Zeiten…«, sagte ich und stieg aus. Ich mußte mich einen Augenblick an den Wagen lehnen. Kann sein, daß Per Toftlund das dem Alkohol zuschrieb. Es gab keinen Zweifel, daß ich eine Fahne hatte, tatsächlich aber war es mein Rücken, der Ärger machte, wie immer, wenn ich im Auto gesessen hatte. So mußte ich mich ein wenig am Dach festhalten, ehe ich mich strecken konnte und spürte, daß ich mein Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Und selbst wenn ich nichts anderes als Milch getrunken hätte, hätte ich wie ein ordinärer Säufer geschwankt.
Teddy, festgenommen auf häßlichem dänischen Autobahnrastplatz mit Klo und Lastwagen, hätte das Bild heißen können, aber der Versuch, meiner Situation mit der üblichen ironischen Distanz zu begegnen, half diesmal nicht besonders. Teddy schwimmt in Gewässern, in denen er keinen Boden mehr unter den Füßen hat, wäre wohl ein besserer Titel.
ZWEITER TEIL
Pers glückliches Leben
»Alle Kriegsführung gründet auf Betrug.«
Sun Tzu, 500 v. Chr. Geburt
8
W enn Per Toftlund in dieser Zeit aufwachte, befiel ihn einen winzigen, fast unmerklichen Augenblick lang die Angst, alleine im Bett zu liegen. Erst wenn er seinen Arm ausstreckte und Lises warme, nackte Schenkel unter dem kurzen Nachthemd spürte, und wenn sie noch halb schlafend seine Hand ergriff, durchströmte ihn das allmorgendliche, beinah unstatthaft befriedigende Gefühl des Glücks. Unstatthaft, weil er in den Sekunden zwischen Schlaf und Wachsein meinte,
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