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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Passagiere, die Touristenklasse hingegen war gut gefüllt. Es waren Rentner, die einen kurzen Großstadturlaub antraten, und Gymnasiasten auf Studienfahrt. Die Bombardierung Jugoslawiens durch die NATO hatte viele Leute veranlaßt, die frischgebackenen Mitglieder der Allianz Tschechien, Ungarn und Polen zu meiden, aus Furcht, die Serben würden den Krieg auf das Lager des Feindes ausweiten.
    Toftlund drückte auf Start und lauschte noch einmal Teddy Pedersens Stimme. Abgesehen von dem geringen Rauschen, das auf einer abgehörten Leitung immer zu hören ist, war sie klar und deutlich zu verstehen. Er hatte eine schöne Stimme, tief, angenehm und ganz schön arrogant, obwohl er leicht aufgewühlt klang:
    »Irma, verflucht. Hier ist noch mal Teddy. Wo steckst du denn, verdammt noch mal. Hör doch gefälligst deinen AB an. Mir tut der Rücken weh, und ich muß mit dir reden. Ich bin eben aus Preßburg zurück und habe eine völlig irre Geschichte über unsern Vater gehört. Mitten in der Nacht taucht eine Frau auf und behauptet, sie sei meine Halbschwester. Weißt du was davon? Weißt du was davon, daß Vater jahrelang mit einer Kroatin zusammengelebt hat? Irma-Mädchen, weißt du was davon, daß unser Vater SS-Soldat in Kroatien und an der Ostfront gewesen sein soll? Sie hatte tatsächlich Fotos und Unterlagen, die bewiesen, daß an dem Gequatsche etwas dran ist. Und sie ist mir gefolgt, Schwesterchen. Warschau, Prag, Preßburg. Sie sagte, sie heiße Maria Bujić. Für Nicht-Slawophile sei es hier buchstabiert: B-u-j-i-ć. Bujić. Komisch, nicht? Und dann die Fotos und die Papiere. Aber dann ist mein Koffer verschwunden. Was sind denn das für Leichen, die unsere kleine, harmonische Familie da im Keller liegen hat, hä? Meine liebe, große Schwester! Ruf mich an oder schick mir eine Mail! Fritz ist wie immer nur der einfältige Bäcker und verschlossen wie eine Auster. Also ruf mich gefälligst an, verdammt!«
    Vuldom hatte die Sache für eine zufällige Spur gehalten, aber Per war der Meinung, daß alle Spuren verfolgt werden müßten und daß die hier mit einer anderen zusammenhängen könnte. Daß der Mord in Budapest kein Zufall war, sondern Teil eines Musters. Vuldom hatte spitz gefragt, worauf seine Überzeugung beruhe, und laut gelacht, als er auf seinen Bauch gezeigt und gesagt hatte: »Hierauf!« Die Recherche ließ sich zunächst auch leicht an. Und die junge Kriminalassistentin, die ihm an die Seite gestellt worden war, erwies sich als effektive Nachforscherin.
    Folgendes stellte sie zumindest fest: Der Vater stand in der Bovrup-Kartei, in der die Mitglieder der dänischen Nazipartei DNSAP aufgeführt sind. Er hatte sich 1941 für das Freikorps Dänemark anwerben lassen und war an der Ostfront am Ilmensee, wo er eine leichte Verwundung davongetragen hatte. Er war mit der Division Nordland in Jugoslawien, was sie sich von einem noch lebenden SS-Mann hatte bestätigen lassen, der den Vater kannte. Mit Nordland war er nach Narva in Estland gegangen und hatte an dem großen Rückzug nach Berlin teilgenommen. Im März ‘45 ist er anscheinend desertiert. Jedenfalls ist er im Oktober ‘45 wieder in Dänemark aufgetaucht. Da war der gröbste Rachedurst schon gelöscht. Er war zu ein paar Jahren verurteilt, aber bereits nach vier Monaten freigelassen worden. 1952 wurde er aus dem Personenstandsregister wieder gestrichen und 1954 für tot erklärt, aber ein Totenschein lag nicht vor. Ein Gerichtsurteil gab der Ehefrau recht, daß er aller Wahrscheinlichkeit nach in Hamburg ums Leben gekommen war, obwohl seine Leiche nie identifiziert worden war, aber die Papiere ließen vermuten, daß es sich bei dem Umgekommenen um den Ehemann handelte. Sie konnte wieder heiraten. Was sie auch tat. Ende der Geschichte, wenn nicht auf einmal diese Frau in einem Hotelzimmer in Preßburg aufgetaucht wäre. Wenn nicht ein Mensch ermordet worden wäre. Und das womöglich aufgrund eines Irrtums. Das war ein Faden, den zu verfolgen er für wert erachtete. Um zu sehen, wohin er führte. Das war ja jetzt leichter, wo die früheren Feinde zu Verbündeten geworden waren. Geschlecht, etwaiges Alter, ein Name – und schon summten die Rechner in Tschechien, Ungarn und Polen, ja sogar in der Slowakei. Zwar war der kleine Staat kein NATO-Mitglied, aber als eifriger Buhler, der die Gunst der Angebeteten gewinnen wollte, würde er alles tun, um einem anderen NATO-Staat zu helfen. Sein Gefühl hatte sich als richtig erwiesen. Maria Bujić erschien

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