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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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der DDR, in Polen und den baltischen Sowjetrepubliken gesammelt. Wegen seiner geographischen Lage fielen genau diese Länder in den dänischen Verantwortungsbereich. Die NATO hatte keine zentrale Spionageorganisation. Sie baute ihre Beschlüsse auf den Nachrichten der verschiedenen Mitgliedsländer auf. Hier spielte Dänemark eine wichtige Rolle.
    Toftlund hob seinen Blick von den Unterlagen und sah Vuldom an. Sie schaute ihn ohne Kommentar an, und er las weiter. Es war ein beigeheftetes Papier, das mit Edelweiß nicht unmittelbar zu tun hatte. Es war eine direkt an den Stasi-Chef Mielke gerichtete Kurzmeldung. Sie enthielt den Dank der sowjetischen Genossen für die brüderliche Hilfe beim Ausheben eines konterrevolutionären, imperialistischen Spionagerings, der von Dänemark aus organisiert worden war, das sich damit wieder einmal als vorgeschobener Posten der NATO-Aggression gegen die friedliebenden sozialistischen Länder erwiesen hatte.
    Toftlund schaute auf, als Vuldom sagte:
    »Drei Todesurteile, alle in Geheimprozessen gefällt, alle vollstreckt. Ebenfalls insgeheim. Nur zwei Jahre vor dem Fall der Mauer. Dazu zwei lebenslängliche und eine Haftstrafe von fünfundzwanzig Jahren. Vier konnten wir rausholen, ehe es zu spät war. Der Name steht nicht da, aber es war Edelweiß, die die Informationen geliefert hat. Jedenfalls nach Auskunft der Geretteten. Vom KGB-Nachfolger FSB in Moskau ist keine große Hilfe zu erwarten. Die haben ihre Archive nicht geöffnet.«
    »Das war ja Mord«, sagte Toftlund.
    »Auf jeden Fall Beihilfe. Und das verjährt nicht.«
    Per Toftlund zog noch einmal die drei Fotos der Familie Pedersen aus der Mappe und betrachtete sie.
    »Es gibt da eine Sache, die nicht ins Bild paßt«, sagte er.
    »Ich wußte doch, daß dir das gleich auffällt.«
    »Keine dieser drei Personen kann irgendwie Zugang zu diesem Material gehabt haben, nicht einmal zu einem Bruchteil davon. Ein Bäcker. Zwei Leute von der Uni. Die hatten keinen Zugang dazu.«
    »Nein. Aber das Rose-Archiv stellt unmißverständlich und ohne den geringsten Zweifel fest, daß Irma Edelweiß ist oder Edelweiß Irma, wie du willst.«
    »Sie konnte an solche Staatsgeheimnisse nicht rankommen. Nicht mal auf Sichtweite.«
    »Richtig, und doch gibt es keinen Zweifel. Die Meriten von Edelweiß kennen wir seit Jahren. Haben die Berichte, aber eben keinen Namen. Wir haben im Verteidigungs- und im Außenministerium gestöbert, um ein passendes Profil zu finden. Eine Laufbahn, die parallel zu den Berichterstattungen verlief. Natürlich ohne Erfolg. Diese Leute wechseln ja ständig den Aufgabenbereich. Aber Irma ist unser Alpenblümchen. So ist es einfach.«
    Toftlund erhob sich und ging im Raum hin und her. Vuldom betrachtete ihn. Er war immer noch durchtrainiert, seine Bewegungen hatten eine lauernde Aggressivität, obwohl er die Vierzig überschritten hatte, aber im großen ganzen war er doch runder geworden. Nicht körperlich runder, es war eher sein Wesen, das weicher geworden war. Vielleicht war es die Ehe, die das zutage gefördert hatte. Vielleicht tat ihm die Ehe gut, obwohl sie das noch vor ein paar Jahren heftig bezweifelt hätte. Toftlund drehte sich um.
    »Irma hat die Berichte geschrieben, aber…«
    »… ein anderer hat sie ihr diktiert«, ergänzte Vuldom. »So muß es gewesen sein, ja.«
    »Sie hat sowohl den Stift geführt als auch die betreffende Person. Sie war nicht selbst der Maulwurf. Aber sie kontrollierte den Maulwurf.«
    »Warum sagst du: war? Warum nicht: ist? Wer sagt, daß das Unternehmen mit dem Mauerfall aufhörte? Wer sagt, daß der KGB das Geschäft nicht übernommen hat? Und später der FSB, der genauso hysterisch auf die NATO reagiert wie seinerzeit die Kommunisten.«
    Toftlund drehte sich zu ihr um.
    »Der Auftrag lautet also: Mach Irmas Quelle ausfindig. Nicht wahr?«
    »Tüchtiger Junge. Irma ist im Ausland, aber wir haben ihre Reisedaten in Erfahrung gebracht. Sie kommt am späten Nachmittag aus Brüssel. Nimm sie fest. Vor Gericht beantragen wir vier Wochen Isolationshaft. Unter absolutem Ausschluß der Öffentlichkeit. Mit dem Material, das da vor dir liegt, dürfte das kein Problem sein. Sie werden bestimmt beim Landgericht Beschwerde einlegen, aber ich bin sicher, wir kriegen unsere vier Wochen.«
    »Gut.«
    »Und, Toftlund: Finde den Dreckskerl.«
    »Gut.«
    »Geh zu ihr. Tag und Nacht. Laß sie nicht in Ruhe. Wir wollen den Namen.«
    »Gut.«
    »Und zwar schnell, ja? Dänemark ist im Krieg. Es

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