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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Bar des Hotels. Es war nicht möglich gewesen, so nahe heranzukommen, daß sie abgehört werden konnten. Maria hatte sich mit verschiedenen Personen getroffen, von denen einige identifiziert worden waren, andere nicht. Sie verhielt sich wie ein Profi und hatte vielleicht einmal die Überwachung bemerkt. Zumindest hatte sie damals den erstbesten Flug ins Ausland genommen, ohne einen einzigen Menschen zu treffen. Es ist klar, daß sie schon im Lande gewesen sein muß, ohne daß die Polen es bemerkt haben. Heutzutage war es nicht sonderlich schwierig, mit dem Zug oder dem Auto auf polnisches Territorium zu gelangen. Zwei polnische Staatsbürger standen weiterhin unter ständiger Überwachung, weil sie verdächtigt wurden, für eine fremde Macht zu spionieren oder, heute vielleicht wahrscheinlicher, in die organisierte Kriminalität verwickelt zu sein. Oder beides. Die Grenzen zwischen russischer Spionage und russischer Mafia waren mittlerweile fließend. Eine direkte Verbindung zwischen Maria und dänischen Staatsbürgern herzustellen war nicht gelungen.
    Das war eigentlich alles, aber Toftlund hatte noch immer das Gefühl, daß es irgendwo eine Verbindung gab. Er glaubte einfach nicht an zufällige Verbindungen, wenn es sich um Agententätigkeit handelte. Er wußte, daß Zufälle eine wichtige Rolle spielten, wenn eine Nachrichtenoperation aufgedeckt werden sollte, Zufall und Glück, aber genauso die Sorgfalt, mit der jede kleine Spur verfolgt werden mußte. Und wenn sich auf einer solchen Spur Leute trafen, die Profis waren, dann war es kein Zufall mehr, sondern eine bewußte Handlung. Das war seine feste Überzeugung, auch wenn man nicht unmittelbar ein Muster erkennen konnte.
    Das Material über Maria bestand überwiegend aus Berichten der Gruppen, die sie beschattet hatten, und aus einer Reihe von Fotos, die aus weiter Entfernung mit dem Tele geschossen worden waren. Trotz wiederholter Versuche war es nicht gelungen, sie abzuhören, bedauerten die beiden polnischen Kollegen mehrmals.
    Das Material zu sichten brauchte seine Zeit. Die beiden Kollegen übersetzten geduldig und versuchten seine Fragen zu beantworten. Ein Foto unterschied sich von den andern. Maria saß auf der Terrasse eines Restaurants in der Warschauer Altstadt. Es war Spätsommer oder ein warmer Herbsttag, eine Art Altweibersommer. Es war kein richtig sommerliches Licht, und obwohl die Gäste in Hemdsärmeln an den Tischen saßen, sah man ihre Mäntel, die über den Lehnen hingen. Als fürchteten sie, die Sonne könne plötzlich verschwinden und von Schauern und Kühle abgelöst werden. Maria saß mit drei älteren Männern zusammen. Sie sahen westlich aus, beinahe dänisch, fand Toftlund. Er wußte nicht genau, warum, aber es war irgend etwas an ihrer Kopfform, ihrer Kleidung, außerdem hatten zwei von ihnen einen Vollbart. Man konnte fast immer sehen, welcher Nationalität die Menschen angehörten. Durch die Immigration, die in Europa in den letzten zwanzig Jahren stattgefunden hatte, war es ganz sicher schwerer geworden, aber trotzdem hatten alle Nationen einige kleine Merkmale, die sie von anderen unterschieden.
    Er mußte das Foto lange studieren, ehe er bemerkte, was sein Unterbewußtsein in Aufruhr versetzt hatte. Es gab drei Bilder von dieser Szene. Eins zeigte Marias schönes, reifes Gesicht mit den betrübten Augen unter der hohen Stirn, auf einem anderen beugten sich Maria und die drei Männer über den Tisch und schienen in eine Art vertrauliches Gespräch vertieft zu sein. Und ein drittes zeigte die Szenerie im ganzen. Vermutlich die erste Aufnahme, weil der Fotograf die Situation deutlich machen wollte. Als wäre er ein Presse- oder Filmfotograf.
    »Haben Sie eine Lupe?« fragte Toftlund.
    Sie verstanden das Wort »Lupe« nicht.
    »Ein Vergrößerungsglas«, sagte er.
    Sie lächelten erleichtert, froh darüber, dem dänischen Gast zu Diensten sein zu können. Ihrem neuen Freund und Verbündeten. Einer von ihnen kam mit einer alten Briefmarkenlupe wieder. Toftlund legte sich das Bild zurecht und betrachtete es durch das Vergrößerungsglas. Das körnige Bild löste sich in Muster auf, es wurde unklar, aber er konnte den Aufkleber auf der Tasche lesen, die unter dem Cafétisch stand. Er bestand vor allem aus schwarz-weißen Streifen, aber Toftlund konnte sich problemlos vorstellen, daß sie in Wirklichkeit blau-weiß waren. Denn über den Streifen standen die beiden Buchstaben OB, das Kürzel des Fußballvereins Odense Boldklub.
    »Haben

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