Die guten Schwestern
demokratisieren, damit sein Personal versteht, daß wir nicht allein dem Staat dienen, sondern auch der Bevölkerung. Und daß wir parlamentarischer Kontrolle unterliegen und für unser Budget und unser Handeln Rechenschaft ablegen müssen.«
»Das klingt nicht gut«, sagte Toftlund ironisch.
»Wie andere vor uns haben wir gelernt, daß man auch in der Demokratie seine Geheimnisse hat und nicht alles zu sagen braucht. Ich habe eine Menge Leute von der Uni geholt, aus der Provinz und Leute von den Medien, zu denen ich Vertrauen hatte, aber natürlich mußte ich auch ein paar von den alten professionellen Spionen behalten. Die müssen nun lernen, daß der Feind nicht mehr die NATO ist, sondern wenn sie einen Feind suchen, dann müssen sie in Richtung Osten gucken.«
»Rußland?«
»Es ziemt sich ja nicht, es laut zu sagen, aber ja, die Russen sind in diesem Land sehr aktiv und in Tschechien und Ungarn auch. Die sehen uns immer noch als ihren Sprengel und jetzt als NATO-Mitglied als ihre legitime Beute. Und ich muß zugeben, Herr Toftlund, daß sie es bei ihren alten Untertanen hier in Polen sehr viel leichter haben, ein Netzwerk aufzubauen, als in Kopenhagen. Da sind noch die alten Freunde und Bekannten, die einem weiterhelfen können. Und natürlich wird die Lage noch komplizierter dadurch, daß wir uns nur zwölf Tage nach unserem offiziellen Beitritt zur NATO im Krieg mit einer souveränen Nation befanden. Mit Jugoslawien. Einem von Moskaus Freunden.«
»Alles hat seinen Preis.«
»Eine Banalität, aber natürlich wahr. Nur fiel der Preis vielleicht ein bißchen höher aus, als wir erwartet hatten. Gott behüte, wir unterstützen den sogenannten humanitären Einsatz, aber konsultiert wurden wir natürlich nicht. Die polnische Bevölkerung steht jedoch nicht dahinter. Und Moskau ist furchtbar wütend auf uns. Das sehen wir allein daran, daß sie ihre Nachrichtentätigkeit bei uns ungeheuer verstärkt haben. Neulich haben wir in aller Stille zwei russische Kulturattaches aus dem Land befördert. Die haben ein Netzwerk. Da gibt es keine Zweifel, aber ich werde es schon zerreißen.«
»Dann wird ein neues entstehen.«
»Handelt das Spiel nicht genau davon?« sagte Gelbert. »Das Katz-und-Maus-Spiel.«
»Das große Spiel. Es geht nie zu Ende.«
»Aber es geht ins Blut.«
Toftlund nickte.
»Allerdings«, sagte er. »Also, das akademische Leben ist erst mal beiseite gestellt?«
»Erst mal ja. Wenn wir nach der Wahl eine neue Regierung bekommen, heißt es wahrscheinlich wieder Uni oder wieder zur Zeitung.«
»Aber bis dahin.«
»Bis dahin diene ich meinem Land und versuche es vor seinen Feinden zu schützen.«
Er trank seinen Kaffee aus, beugte sich vor und schlug die Mappe auf. Sie enthielt eine Reihe eng beschriebener DIN-A4-Bögen und einige Schwarzweißfotos.
»Wie zum Beispiel unsere gemeinsame Freundin hier.«
Gelbert reichte ihm ein Foto. Mit Tele aufgenommen. Die Frau auf dem Bild wirkte groß und schlank. Ihr Alter war schwer zu bestimmen. Irgendwo zwischen vierzig und fünfzig, vielleicht mehr, aber sie sah gut aus. Sie schien an einer Straßenecke zu stehen. Vielleicht wartete sie auf ein Taxi. Das Bild war im Sommer aufgenommen worden. Sie trug einen Rock und eine helle Bluse. Ihr Haar flatterte im Wind. Das Gesicht hinter der schwarzen Sonnenbrille war verschlossen.
»Maria Bujić«, sagte Toftlund.
»Na ja, so nennt ihr sie«, sagte Gelbert. »Wir kennen sie auch als Swetlana Iwanowa – russische Staatsbürgerin, Vertreterin für eine Firma, die Parfüm importiert. Russische Frauen lieben Parfüm. Und als die Schwedin Katrine Ulfborg kennen wir sie selbstverständlich auch. Mein Vorgänger hat sie auch schon beobachten lassen, aber erst in diesem Februar wurde uns klar, wer sie in Wirklichkeit ist.«
»Sie ist Kroatin, soweit ich verstanden habe.«
»Möglich, aber wenn wir richtig unterrichtet sind, heißt sie Ina Cukic. Und sie ist eine von Miloševićs Spitzenagentinnen.«
»Serbische Spionin?« sagte Toftlund überrascht.
Gelbert lehnte sich zurück. Er hat etwas von einem Schauspieler oder einem Vortragskünstler, dachte Toftlund. Oder von Jette Vuldom, wenn sie entsprechend drauf war. Sie mochten es beide gerne, ihre Pointen wie punchlines zu servieren.
»Vielleicht noch mehr. Sehen Sie sich das mal an.«
Gelbert reichte Toftlund ein weiteres Foto. Auch schwarzweiß. Er erkannte den Mann im Tarnanzug, der eine AK-47 über der Brust hielt und über das ganze Gesicht grinste. Im
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