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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Dann drückte er Lises Durchwahlnummer bei Politiken. Am frühen Nachmittag säße Lise normalerweise in der Redaktion und ginge ihrer Arbeit als Kulturjournalistin nach, und obwohl sie Mutterschaftsurlaub hatte, würde es ihn nicht wundern, wenn sie mal vorbeischaute. Er konnte schon hören, wie sie sagte, daß er ja schließlich auch ihre Handynummer habe. Da war es wieder. Segen und Fluch. Heutzutage war man stets in Kommunikationsreichweite. Aber das Handy hatte den Nachteil, daß man immer herausfinden konnte, wo man sich befand. Das verriet der nächste Mast, und damit hatte er nun mal seine Probleme.
    Trotzdem überraschte es ihn, daß sie in ihrem Büro war.
    »Lise Carlsen«, sagte sie, und ihre Stimme verbreitete eine freudige Wärme in seinem Körper, und plötzlich vermißte er sie zu seiner eigenen Überraschung ganz schrecklich. Es war ihm neu, daß ihn derlei Gefühle übermannen konnten, wenn er im Einsatz war. Es kam ihm vor, als hielten die Dämme zwischen den verschiedenen Fächern seines Bewußtseins nicht mehr.
    »Hallo, Lise, mein Schatz. Ich bin’s. Ich vermisse dich. Wie geht’s euch?«
    »Per. Wo bist du?«
    »In Budapest.«
    »Wie schön für dich«, sagte sie spitz.
    »Ich sehe nur Flughäfen und Amtszimmer. Von ›schön‹ kann keine Rede sein.«
    »Nett, daß du anrufst«, sagte sie in dem gleichen spitzen, korrekten Tonfall. Als wäre er irgendein Informant, der freundlicherweise zurückrief.
    »Ich dachte, du hättest Mutterschaftsurlaub. Was machst du auf der Arbeit?«
    »Ganløse wurde mir ein bißchen öde. Ich wollte nur mal sehen, ob mir mein Stuhl noch paßt. Und dann hat Pernille mich zum Essen eingeladen. Sie fand es schade, daß ich da draußen auf dem Lande versauere, während mein Mann durch Mitteleuropa kreuzt und offenbar seine Frau vergessen hat.«
    Pernille war ihre Freundin und Kollegin. Wahrscheinlich war sie dabei, einen Artikel zu verfassen, ehe sie zusammen in die Stadt gehen konnten.
    »Lise, verdammt. Ich hatte zu tun. Es ist mehr als kompliziert«, sagte er ärgerlicher, als er eigentlich wollte.
    »Das glaube ich gern. Wann kommst du nach Hause?«
    »In ein paar Tagen.«
    »Das ist eine sehr präzise Auskunft.«
    »Ich kann das hier nicht über ein offenes Telefon diskutieren.«
    »Natürlich nicht.«
    »Du bist sauer, Lise.«
    »Ich bin müde und dick und habe Rückenschmerzen, und ich schwitze und habe die Nase voll, schwanger zu sein, und mir steht’s bis oben, daß mein Mann einfach abhaut und keinen Bock hat, zu Hause anzurufen und zu fragen, wie es seiner schwangeren Frau geht. Ob die Geburt vielleicht zu früh angefangen hat.«
    Sein Herz begann zu hämmern. Als hätte er einen langen und schnellen Waldlauf gemacht.
    »Hat sie das? Was erzählst du da? Stimmt was nicht?«
    Sie lachte, und ihr Lachen erleichterte ihn. Jetzt erkannte er sie wieder.
    »Da wurde der tapfere Detektiv doch nervös, was?«
    »Stimmt was nicht, Lise?«
    »Per, du Dummkopf. Mir geht’s prima. Ich war gestern bei der Untersuchung. Alles ist, wie es sein soll. Wenn ich nicht wüßte, daß es ein Mädchen wird, würde ich glauben, es ist ein Junge. Sie tritt wie Preben Elkjær. Ich freue mich bloß, daß endlich bald alles ein Ende hat. Und ich möchte gern was von meinem Mann hören, auch wenn er in der großen weiten Welt herumrast und James Bond spielt.«
    »Okay.«
    »Du und dein ewiges okay. Du bist nicht mehr allein. Stell dir vor, die Geburt wäre losgegangen. Du hättest es nicht mal gewußt.«
    »Ist ja nicht passiert.«
    »Und wenn doch?« wiederholte sie, aber er konnte hören, daß sie nicht mehr wütend auf ihn war.
    »Dann wäre ich mit meinem privaten Überschall-Bond-Jet nach Haus geflogen. Weißt du, der mit Kaviar, Champagner und drei Blondinen.«
    »Du hättest es wenigstens probieren können…«
    »Ich liebe dich, Lise«, sagte er zu seiner eigenen Überraschung, aber ohne Hintergedanken.
    »Ich liebe dich auch. Obwohl du dich nicht anständig verhältst. Ruf mich ab und zu mal an. Und schalte wenigstens dein Handy auf Empfang. Manchmal kommen sie ja zeitig, die Kinder. Ja?«
    »Werd ich tun.«
    »Gut, mein Schatz. Paß auf dich auf!«
    »Wir sehn uns in ein paar Tagen«, sagte er. »Ich rufe heute abend aus dem Hotel an.«
    »Und wo befindet sich das?«
    Er zögerte. Er hörte es rauschen, von Masten über den Satelliten weiter zu anderen Masten und in die Zeitung. Es gab so viele Möglichkeiten, die Wörter aufzuschnappen, die sich im Äther bewegten, aber

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