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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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sagte, du könntest ruhig weiterfahren. Deine Gastgeber in der Slowakei werden sowieso nicht mit dir reden. Und wenn ich sie ein bißchen nötige, erzählen sie dir irgend was, nur nicht die Wahrheit.«
    »Okay«, sagte Toftlund.
    »Aber unser polnischer Freund ist der Meinung, du solltest euren gemeinsamen Bekannten kontaktieren. Aber sei vorsichtig, und wirf ab und zu einen Blick über deine Schulter, ja?«
    »Okay«, sagte Toftlund.
    »Und, Per? Komm schnell nach Hause! Es wird langsam eng.«
    »Was heißt das?«
    »Auch in Osteuropa haben die modernen Zeiten Einzug gehalten. Also watch CNN und mach’s gut.«
    »Bis bald«, sagte er, aber sie hatte schon den Hörer aufgelegt.
    Er nahm die Fernbedienung und stellte den großen japanischen Fernseher an. Das waren wahrlich neue Zeiten. Er konnte zwischen einer ganzen Reihe von Sendern wählen, und CNN gab’s natürlich auch. Er geriet mitten in eine Reportage, aber obwohl er den Anfang verpaßt hatte, gab es keinen Zweifel. Breaking News stand stolz auf dem Schirm. CNN berichtete live und stellte zu seinen verschiedenen Korrespondenten von Brüssel bis Washington und zu dem italienischen Luftwaffenstützpunkt um, von dem aus die NATO ihre Jagdbomber in den Kosovo und nach Jugoslawien starten ließ. Toftlund traute seinen Augen nicht. Es war der jugoslawischen Luftabwehr gelungen, einen Stealth-Bomber vom Himmel zu holen. Das dürfte eigentlich nicht möglich sein. Die Konstruktion des Flugzeugs sollte es eigentlich für den Radar unsichtbar machen. Die Amerikaner hatten es mit großem Erfolg im Golfkrieg eingesetzt, wo Saddam Husseins gut ausgebautes Raketenabwehrsystem nicht ein einziges getroffen hatte. Wie zum Teufel war es den Jugos gelungen? Durch die Aussagen der Experten auf CNN wurde er auch nicht klüger. Das war das Übliche, wenn irgendwo eine Krise ausgebrochen war, egal ob es nun dänisches, deutsches oder amerikanisches Fernsehen war. Eine Runde von Schwafelköpfen spekulierte drauflos, was das Zeug hielt. Das Fernsehen war ein dankbares Medium. Man konnte sagen, was man wollte. Entweder nahmen die Leute es nicht ernst, oder es war am nächsten Tag vergessen. Und dann konnte man von neuem spekulieren. Er wußte nicht, wie sie so was fertigbrachten. Jedesmal diese kostbaren Worte. Alles war Krise, Katastrophe, Konfrontation, Sackgasse. Die häufigste Frage, die Fernsehjournalisten auf der ganzen Welt stellten, war: Was ist, wenn? Danach konnte man dann fröhlich weiterspekulieren.
    Es wurden Bilder der Wrackreste des schwarzen Flugzeugs gezeigt. Der Pilot war anscheinend von einem Hubschrauber gerettet worden. CNN stellte es wie einen großen Sieg dar. Toftlund wunderte sich. Da führte die NATO einen Luftkrieg und achtete darauf, selbst keine Verluste zu erleiden, während die Serben ihre grausame ethnische Säuberung fortsetzten und die Flüchtlinge nach Albanien und Mazedonien strömten, und dann hatte man eine Stealth eingebüßt. Zweifellos waren die Russen schon an Ort und Stelle, um die hochentwickelte elektronische Ausrüstung in die Hände zu kriegen und Teile des Rumpfs, damit sie das radarabweisende Material analysieren konnten. Wie hatten die es bloß geschafft, so eine Maschine abzuschießen?
    Toftlund holte sich ein Mineralwasser aus der Minibar und setzte sich mit der Flasche in der Hand hin, um dem Nachrichtenstrom zu folgen. Draußen dämmerte es, und er hörte am Geräusch der Autos, daß es zu regnen angefangen hatte. Er stand auf und schaute hinaus. Auf der andern Seite des verkehrsreichen Platzes lag ein kleines Palais. Unten vor dem Hotel schüttelten sich einige Leute und stellten sich unter dem großen gewölbten Betondach unter. Mehrere Busse und einige Taxen standen dort. In dem dunkelnden Regen konnte er eine große Statue erkennen, die sich vor dem schwarzen Himmel erhob. Es sah wie so ein sozialrealistischer Kriegsscheiß aus, dachte er. Er hatte schlechte Laune und wußte nicht woher.
    Toftlund merkte, wie sehr er Selbstbespiegelung und negative Gedanken haßte. Das war kein gangbarer Weg. Er löste seine Probleme fast immer physisch. Er zog sich bis auf die Unterhose aus und machte Liegestütze, bis ihm schwarz vor Augen wurde und Magen, Arme und Schultern schmerzten und sein Atem nur noch aus verzweifeltem Keuchen bestand. Dann duschte er und rief Lise an, aber sie antwortete nicht. Er knallte den Hörer auf und wurde noch wütender auf sich selbst. Wie konnte er denn verlangen, daß sie zu Hause hockte und auf ihn

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