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Die Haarteppichknüpfer - Roman

Die Haarteppichknüpfer - Roman

Titel: Die Haarteppichknüpfer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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diesen Makel als Schmach empfand, als Beleidigung des Schicksals, das ihm auf diesem Wege die ersehnte Vollkommenheit vorenthielt.«
    Lamita atmete geräuschvoll ein. »Oh!«, machte sie vielsagend. Eine schwache, undeutliche Ahnung der Zusammenhänge dämmerte in ihr.
    »Die Spione des Königs Pantap hatten diesen wunden Punkt des Kaisers herausgefunden«, fuhr Emparak fort, »und Pantap, offenbar ein zorniger, stolzer Mann, hielt es aus unerfindlichen Gründen für sinnvoll, mit aller verbliebenen Kraft in diese Wunde zu schlagen. Als der Kaiser ankam, um die Unterwerfung entgegenzunehmen, sagte Pantap – der sich übrigens eines prachtvollen Bart- und Haarwuchses erfreute – wortwörtlich: ›Deine Macht mag so groß sein, dass sie unsere Unterwerfung erzwingt, aber sie ist nicht groß genug, um Haare auf deinem Schädel wachsen zu lassen, kahlköpfiger Kaiser.‹«
    »Das klingt nicht wie eine gute Idee.«
    »Nein. Wahrscheinlich war es die schlechteste Idee, die je ein Mensch hatte.«
    »Was geschah?«
    »Der zehnte Kaiser galt ohnehin als aufbrausend und rachsüchtig. Als er das hörte, raste er vor Wut. Er schwor Pantap, dass dieser seine Worte noch bedauern werde, wie niemals jemand eine Schmähung bedauert habe. Er sagte: ›Meine Macht ist groß genug, um zu erzwingen, dass dieser ganze Planet mit dem Haar deiner Untertanen belegt wird, und ich werde dich zwingen, es mit anzusehen!‹«
    Lamita starrte den alten Archivar entsetzt an. In ihr war ein Gefühl, als klaffe unter ihr plötzlich ein Abgrund.
    »Heißt das, die Geschichte der Haarteppiche … ist die Geschichte einer Rache? «
    »Ja. Nichts anderes.«
    Sie schlug eine Hand vor den Mund. »Aber das ist doch Wahnsinn!«
    Emparak nickte. »Ja. Aber der eigentliche Wahnsinn ist weniger die Idee an sich als vielmehr die unerbittliche Konsequenz, mit der sie in die Tat umgesetzt wurde. Der Kaiser schickte wie üblich seine Priester aus, um den Gottkaiserkult zu verbreiten und durchzusetzen gegen jeden Widerstand, und ließ sie dabei auch gleich den Kult um die Haarteppiche installieren – das ganze komplizierte logistische System, das Kastenwesen, das Steuersystem und so weiter. Aus den Überresten der Streitkräfte von Gheera rekrutierten sich die Schiffer, die die Haarteppiche von den einzelnen Planeten nach Gheerh transportierten. Gheerh selbst, das ganze Sonnensystem, wurde in einer Dimensionsblase eingeschlossen und damit künstlich aus dem normalen Universum entfernt, um jedes Entkommen und jede Störung von außen unmöglich zu machen. Ausgesuchte, besonders rücksichtslose Truppen bombten die Kultur der Bewohner von Gheerh zurück in die Primitivität und eröffneten dann ihren quälend langsamen Vernichtungsfeldzug. Rings um den Königspalast begannen sie damit, den Boden zu befestigen und die ersten Haarteppiche auszulegen.«
    »Und der König?«, fragte Lamita. »Was war mit Pantap geschehen?«
    »Auf Geheiß des Kaisers wurde Pantap auf seinem Thron festgekettet und an ein Lebenserhaltungssystem angeschlossen, das ihn etliche Jahrtausende am Leben gehalten haben muss. Der Kaiser wollte, dass Pantap hilflos mit ansehen sollte, was er aus seinem Volk machte. Zunächst musste Pantap wohl durch die Fenster des Thronsaals zuschauen, wie die Hauptstadt Straßenzug um Straßenzug eingeebnet und der frei werdende Boden mit Haarteppichen belegt wurde. Irgendwann gingen die Mannschaften dann dazu über, alle ihre Aktivitäten, ihre mörderischen Eroberungskämpfe und ihre Bauarbeiten zu filmen und per Funk auf Bildschirme zu übertragen, die vor dem hilflosen König aufgestellt worden waren.«
    Lamita war entsetzt. »Heißt das, dass Pantap womöglich noch lebt?«
    »Auszuschließen ist es nicht«, gab der Archivar zu, »obwohl ich es nicht glaube, weil die Technik der Lebenserhaltung damals noch nicht so fortgeschritten war. Der Palast muss jedenfalls noch da sein, irgendwo auf Gheerh, wahrscheinlich mitten in einem sehr großen Gebiet, in dem die allerersten Haarteppiche längst zu Staub zerfallen sind. Offenbar hat die Gheera-Expedition ihn nicht gefunden, sonst hätten sie Pantap oder seine Überreste entdeckt.«
    Die junge Historikerin schüttelte den Kopf. »Das muss geklärt werden. Der Rat muss das erfahren; er muss noch einmal jemanden hinschicken …« Sie sah Emparak an. »Und das alles funktionierte diese ganze lange Zeit über?«
    »Der Kaiser starb, bald nachdem das Haarteppichsystem eingerichtet war. Sein Nachfolger, der elfte und

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